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Von Apfeltrester bis Zuckerrübenfasern – was die Zutatenliste über Qualität und Wert verrät

Das Wichtigste in Kürze

  • Reihenfolge ist entscheidend: Zutaten stehen nach Einwaagegewicht sortiert – was vorne steht, ist am meisten drin
  • Einzelfuttermittel schlagen Sammelbegriffe: „Hafer“ ist besser als „Getreide“, „Apfeltrester“ besser als „Obstnebenerzeugnisse“
  • Gewichtstricks durchschauen: Schwere Zutaten können trotz geringer Menge vorne stehen, leichte Füllstoffe nach hinten rutschen
  • Füllstoffe erkennen: Sojaschalen, Strukturhäcksel und Rübenfasern sind oft teure Sackfüller ohne Nährwert
  • Versteckte Zucker aufspüren: Melasse, Rübenschnitzel und süße Früchte treiben den Zuckergehalt nach oben
  • Qualität kostet: Hochwertige Einzelfuttermittel sind teurer als „Nebenerzeugnisse“
  • Transparenz als Gütezeichen: Detaillierte Auflistung aller Inhaltsstoffe zeigt Qualitätsbewusstsein

Die Zusammensetzung ist das Herzstück jedes Futtermitteletiketts – hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Während Marketing-Sprüche auf der Vorderseite oft mehr versprechen als halten, verrät die Zutatenliste schonungslos, was wirklich im Sack steckt. Denn hier werden die verwendeten Rohstoffe aufgelistet, die am Ende im Trog landen. Doch die Kunst liegt im richtigen Lesen zwischen den Zeilen, denn auch hier gibt es legale Tricks und Kniffe, die den Pferdebesitzer in die Irre führen können.

Das System der Gewichtsreihenfolge verstehen

Grundprinzip der Auflistung

Alle Zutaten eines Pferdefutters müssen in absteigender Reihenfolge nach ihrem Einwaagegewicht aufgelistet werden. Was an erster Stelle steht, macht den größten Anteil aus, was am Ende steht, ist am wenigsten enthalten. Dieses Prinzip klingt simpel, birgt aber Fallstricke, die selbst erfahrene Pferdebesitzer übersehen.

Das Einwaagegewicht bezieht sich auf den Zeitpunkt der Herstellung. Ob die Zutat frisch, getrocknet oder in anderer Form eingewogen wurde, spielt für die Reihenfolge keine Rolle. Hier entstehen die ersten Verwirrungen, denn 100g frische Äpfel werden nach der Trocknung deutlich weniger wiegen als 100g bereits getrockneter Hafer.

Die Tücken der Gewichtung

Ein klassisches Beispiel für irreführende Reihenfolgen: Ein Müsli listet „Hafer“ an erster Stelle, gefolgt von „Weizenkleie“, „Apfeltrester“ und „Sojaschalen“. Auf den ersten Blick wirkt Hafer als Hauptbestandteil hochwertig. Doch wenn Hafer mit 650g/Liter eingewogen wird, während die drei anderen Zutaten zusammen nur 200g/Liter wiegen, obwohl sie volumenmäßig 80% des Sackinhalts ausmachen, zahlt man hauptsächlich für luftige Füllstoffe.

Besonders problematisch wird es bei Zutaten die zwar nur in geringen Mengen enthalten sind – und daher weit hinten in der Deklaration auftauchen – aber trotzdem erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Pferdes haben können, wie Bierhefe.

Einzelfuttermittel versus Sammelbegriffe

Die Klartext-Regel

Die meisten Hersteller verwenden mittlerweile konkrete Bezeichnungen für ihre Rohstoffe wie: Hafer, Weizenkleie, Sonnenblumenkerne oder Sojaextraktionsschrot. Diese Klarheit ermöglicht es Pferdebesitzern, die Qualität und Eignung der Inhaltsstoffe zu beurteilen. Sie wissen genau, was sie kaufen und können bei Unverträglichkeiten gezielt reagieren.

Sammelbegriffe wie „Getreide“, „Ölsaaten“ oder „Obstnebenerzeugnisse“ lassen hingegen viel Spielraum. Hinter „Getreide“ kann sich hochwertiger Hafer verbergen, aber genauso billiges Weizenfuttermehl oder verarbeitungsintensive Getreidenebenprodukte. Diese Unbestimmtheit ist meist kein Zufall, sondern ermöglicht flexible Rezepturen je nach Marktpreisen, sorgt aber häufig für Gesundheitsprobleme beim Pferd, weil man nie genau weiß, was man gerade füttert.

Häufige Kraftfutter-Zutaten und ihre Bewertung

Hochwertige Grundkomponenten

Hafer gilt als Goldstandard unter den Getreidearten für Pferde. Er liefert hochwertige Kohlenhydrate, Protein und ist für die meisten Pferde gut verdaulich. Ganzer Hafer ist dabei wertvoller als gequetschter, da die Körner nach Quetschung schnell ranzig werden (und Konservierungsmittel unter gewissen Grenzwerten nicht deklarationspflichtig sind).

Gerste bietet ähnliche Nährstoffe wie Hafer, wird aber langsamer verdaut und sollte nicht in großen Mengen gefüttert werden. Gequetschte ist bekömmlicher als ganze Körner und wird nicht so schnell ranzig wie Hafer.

Mais ist überaus beliebt in Kraftfuttern, enthält jedoch minderwertiges Eiweiß und extrem schwer verdauliche Stärke, weshalb er meist hydrothermisch behandelt wird. Damit steigt die Verdaulichkeit der Stärke aber leider auch das Allergierisiko.

Weizen, Roggen, Triticale und ähnliche Getreide sowie Pseudogetreide sind für die Pferdefütterung nicht geeignet und sollten dringend vermieden werden.

Wertvolle Zusätze

Leinsamen oder „Leinsaat“ liefert wertvolle Omega-3-Fettsäuren und Schleimstoffe, die der Verdauung zugutekommen. Ganzer Leinsamen ist allerdings nur wenig verfügbar, weil er nicht gut gekaut werden kann, geschroteter Leinsamen wird hingegen sehr schnell ranzig (mit dem bekannten Problem der Konservierungsmitteldeklaration).

Sonnenblumenkerne bringen vor allem hochwertiges Öl, sowie etwas Protein und Vitamin E mit. „Sonnenblumenkerne, geschält“ sind dabei wertvoller als ungeschälte, da der Schalenanteil nur Ballast darstellt und in einem Mischfutter meist schlecht gekaut wird.

Kritische Inhaltsstoffe

Bierhefe oder „Saccharomyces cerevisiae“ ist stark umstritten in der Pferdefütterung. Sie wird in der Landwirtschaft als Mastfutter eingesetzt, weil Schweine und Rinder damit schneller an Gewicht zunehmen – was bei den meisten Pferden ja eher unerwünscht ist. Außerdem besteht bei nicht vollständig inaktivierter Hefe das Risiko, dass sie sich im Darm des Pferdes ansiedelt und Dysbiosen auslöst.

Johannisbrot enthält einen erheblichen Anteil an Zucker und anderen leicht verdaulichen Kohlenhydraten. Es saugt zwar einen Teil Kotwasser auf, hat aber negative Auswirkungen au den Blutzuckerspiegel.

Melasse wird als Geschmacksverstärker und Staubbinder zugesetzt. Sie treibt den Zuckergehalt nach oben und macht Futter für stoffwechselempfindliche Pferde ungeeignet. „Zuckerrohrmelasse“ und „Rübenmelasse“ sind beide problematisch und sollten vermieden werden.

Sojaschalen sind ein klassischer Füllstoff ohne nennenswerten Nährwert. Sie machen den Sack voll, kosten aber Geld ohne entsprechenden Nutzen. Ähnlich verhält es sich mit Sonnenblumenschalen, (Zucker-)Rübenfasern oder klein gehäckseltem „Aufwuchs von Dauergrünland“ (=Heu).

Weizenkleie ist ein billiger Volumenspender, der für Pferde leider extrem lecker schmeckt. Große Mengen werden aufgrund des ungünstigen Calcium-Phosphor-Verhältnisses problematisch.

Versteckte Zucker entlarven

Die süße Falle

Zucker versteckt sich in Pferdefutter oft hinter harmlos klingenden Namen. Neben der offensichtlichen Melasse tarnen sich Zucker auch als:

Rübenschnitzel – getrocknete Zuckerrübenschnitzel enthalten noch erhebliche Zuckermengen, auch wenn sie als „Strukturkomponente“ beworben werden.

Apfeltrester – die ausgepressten Apfelreste enthalten konzentrierte Fruchtzucker und treiben den Gesamtzuckergehalt nach oben.

Johannisbrot – bringt etwa 40-50% Zucker mit.

Karotten – auch getrocknete Möhren sind zuckerreich und für empfindliche Pferde problematisch.

Auch Stärke kann sich verstecken

Zucker haben inzwischen viele Pferdeleute im Blick, aber versteckte Stärke wird häufig übersehen. Sie wird jedoch im Dünndarm zu Zucker verdaut und hat damit denselben negativen Effekt auf den Blutzuckerspiegel, was vor allem für leichtfuttrige Pferde und solche mit Insulinresistenz oder Hufrehe-Vorgeschichte problematisch ist.

Weizengrießkleie und Weizenkleie sind Nebenprodukte der Mehlgewinnung und enthalten in erheblichem Maß Rest-Stärke (10-30%).

Reiskleie wird häufig für die „getreidefreie“ Fütterung beworben, enthält aber 15-30% Reststärke und ist meist in erheblichem Maß mit Konservierungsmitteln belastet.

Haferschälkleie, ebenfalls ein Nebenprodukt aus der Getreideverarbeitung in Mühlen, enthält 15-25% Stärke. Zum Vergleich: Ganzer Hafer enthält 40-45% Stärke!

„Getreidefreie“ Alternativen erkennen

Hersteller, die bewusst auf hohe Getreide und hohe Zuckergehalte verzichten, verwenden alternative Komponenten, um den Sack zu füllen:

Luzernehäcksel sind zuckerarm und suggerieren hochwertiges Protein – leider werden aber meist die eiweißarmen Stängel verarbeitet, nicht die nährstoffreichen Blätter und Blüten.

Heucobs oder Heuhäcksel aus verschiedenen Gräsern und Kräutern bringen Volumen bei geringem Nährstoffgehalt.

Leinextraktionsschrot – der entölte, ausgewaschene Presskuchen aus Leinsamen ist proteinreich und zuckerarm, leider aber meist mit Konservierungsmitteln belastet. Er sorgt für gute Analysewerte (Rohprotein, Rohfett), ohne ein wirklich hochwertiges Futter zu sein.

Füllstoffe und Streckmittel durchschauen

Die teuren Sackfüller

Viele kommerzielle Pferdefutter enthalten erhebliche Anteile an Komponenten, die hauptsächlich Volumen schaffen, aber wenig Nährwert bieten:

Strukturhäcksel aus Luzernestängeln, Heu oder minderwertigen Pflanzenteilen wie Brennnesselstielen füllen den Sack, kosten den Besitzer aber unverhältnismäßig viel für das, was sie bieten. Gutes Heu wäre deutlich günstiger und wertvoller. Abgesehen davon können diese 2-4cm langen grünen Stängel nicht richtig gekaut werden und sorgen dadurch im Dickdarm für Fehlgärungen (Dysbiosen).

Rübenfasern – stammen entweder aus den Samenschalen der Zuckerrübensamen oder es handelt sich um die ausgelaugten Zuckerrübenreste nach der Zuckergewinnung, beide sind vergleichbar nährstoffarm. Als „prebiotische Ballaststoffe“ beworben, sind sie einfach nur teure Sackfüller.

Traubentrester oder andere Obsttrester mögen gut klingen, bieten aber hauptsächlich Volumen und Restzucker, während der Nährwert gering ist.

Pferdefuttermüsli mit Hagebutten
© Adobe Stock / anakondasp

Regionale und saisonale Schwankungen

Flexible Rezepturen verstehen

Manche Hersteller passen ihre Rezepturen an Verfügbarkeit und Preise an. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, sollte aber transparent kommuniziert werden. Formulierungen wie „kann enthalten“, „enthält in wechselnden Anteilen“ oder „je nach Verfügbarkeit“ sind ehrlicher als starre Listen, die in der Realität nicht eingehalten werden.

Saisonale Schwankungen in den Nährwerten bei Getreide, Saaten und Kräutern sind normal. Problematisch wird es nur, wenn teure Komponenten heimlich durch billige ersetzt werden, ohne dass sich der Preis entsprechend anpasst. So ist es für den Kunden kaum erkennbar, wenn in der Futtermischung die wertvollen Brennnesselblätter durch wertlose Brennnesselstiele ersetzt werden. Preislich ist das für den Hersteller aber ein erheblicher Unterschied und beide dürfen als „Brennnessel“ deklariert werden.

Herkunftsangaben bewerten

Einige Hersteller geben freiwillig Herkunftsangaben an: „Hafer aus deutschem Anbau“ oder „Kräuter aus kontrolliert biologischem Anbau“. Solche Informationen sind Qualitätsmerkmale, auch wenn sie nicht verpflichtend sind. Wer allerdings „Bio“ draufschreibt, muss auch strikt Bio drin haben.

In unserer globalisierten Welt ist es jedoch meist so, dass Getreide und viele andere Futtermittel und Rohstoffe auf den weltweiten Rohstoffbörsen gehandelt und eingekauft werden. Der Hafer im Sack kann also aus Frankreich stammen, während die Gerste aus China und der Mais aus den USA kommen. Dem Endprodukt sieht man seine Herkunft nicht an.

Praktische Tipps für die Bewertung

Die Zutatenliste-Analyse

  • Sind die Zutaten hochwertige Einzelfuttermittel?
  • Wie viele Sammelbegriffe werden verwendet?
  • Welche (versteckten) Zucker- und Stärke-Quellen sind enthalten?
  • Gibt es offensichtliche Füllstoffe?
  • Wie viele „Nebenprodukte“ der Lebensmittelindustrie wurden verarbeitet?

Beim Studium einer Zusammensetzung helfen folgende Fragen:

Verhältnis von Preis und Inhalt

Ein Futter mit vielen hochwertigen Einzelfuttermitteln darf teurer sein als eines voller Nebenerzeugnisse. Umgekehrt sollte ein Futter mit vielen Füllstoffen nicht den Preis eines Premium-Produkts haben.

Die empfohlene Fütterungsmenge gibt zusätzliche Hinweise: Werden große Mengen empfohlen, ist die Nährstoffdichte gering. Hochkonzentrierte Futter kommen mit kleineren Portionen aus und sind oft günstiger in der Anwendung. Daher lohnt es sich, nicht den Preis pro kg zu betrachten, sondern den Preis pro Tagesration.

Qualitätshersteller erkennen

Warnsignale in der Zusammensetzung

Übermäßig viele Sammelbegriffe deuten auf flexible Rezepturen hin, die je nach Marktlage angepasst werden. Das ist nicht automatisch schlecht, macht die Qualität und die genauen Inhaltsstoffe aber unvorhersagbar. Auffällig viele Süßungsmittel verschiedener Art zeigen, dass der Geschmack über Zucker erreicht wird statt über hochwertige Rohstoffe. Lange Listen mit vielen Kleinstmengen können darauf hindeuten, dass verschiedene Billigkomponenten zusammengemischt werden, statt auf wenige hochwertige zu setzen.

Die Wahrheit liegt in den Details

Die Zusammensetzung ist der ehrlichste Teil eines Futtermitteletiketts. Hier kann nicht mit Marketing-Begriffen getrickst werden – entweder steht „Hafer“ drin oder eben nicht. Wer lernt, zwischen den Zeilen zu lesen und die Tricks der Gewichtung zu durchschauen, kann die Qualität eines Futters zuverlässig beurteilen.

Dabei gilt: Transparenz schlägt Marketing, Einzelfuttermittel schlagen Sammelbegriffe, und weniger ist oft mehr. Ein Futter mit fünf hochwertigen Komponenten ist meist besser als eines mit zwanzig verschiedenen Zutaten unklarer Herkunft. Die Zeit, die man in das Studium der Zusammensetzung investiert, zahlt sich aus in bewusster Kaufentscheidung und am Ende einen gesunden Pferd.

Team Sanoanimal