Der ultimative Guide zum Verstehen von Pferdefutter-Etiketten für bewusste Pferdebesitzer
Das Wichtigste in Kürze
- Pflichtangaben sind gesetzlich vorgeschrieben: Zusammensetzung sowie ggf. analytische Bestandteile und Zusatzstoffe müssen auf jedem Etikett stehen
- Reihenfolge verrät Mengen: Zutaten sind nach Gewichtsanteil absteigend sortiert – das erste ist am meisten enthalten
- Versteckte Informationen entdecken: Viele wichtige Details stehen im Kleingedruckten oder zwischen den Zeilen
- Marketing vs. Fakten unterscheiden: Werbeaussagen lenken oft von den tatsächlichen Inhaltsstoffen ab
- Transparente Hersteller bevorzugen: Vollständige Deklarationen zeigen Qualitätsbewusstsein
- Etiketten-Wissen spart Geld: Wer Etiketten richtig liest, erkennt überteuertes Marketing und findet echte Qualität
- Gesetzliche Mindestangaben reichen oft nicht: Die besten Hersteller gehen über das Pflichtprogramm hinaus
Das Futtermitteletikett ist wie der Personalausweis des Pferdefutters – es verrät alles Wichtige über Inhalt und Qualität. Doch die meisten Pferdebesitzer fühlen sich beim Anblick der vielen Fachbegriffe, Prozentangaben und E-Nummern überfordert. Dabei ist das Lesen von Etiketten eine der wichtigsten Fähigkeiten für jeden, der sein Pferd optimal füttern möchte.
Warum Etiketten lesen überlebenswichtig ist
Gesundheit beginnt beim Futter
Die Qualität des Pferdefutters entscheidet maßgeblich über Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden des Pferdes. Minderwertiges Futter kann zu Stoffwechselproblemen, Koliken oder langfristigen Gesundheitsschäden führen. Wer die Sprache der Etiketten versteht, kann diese Risiken minimieren und seinem Pferd optimale Ernährung bieten.
Marketing-Fallen vermeiden
Bunte Verpackungen und verlockende Werbesprüche sagen nichts über die tatsächliche Qualität aus. Begriffe wie „natürlich“, „premium“ oder „traditionell“ sind nicht geschützt und können beliebig verwendet werden. Die Wahrheit steht im Kleingedruckten – auf dem Futtermitteletikett.
Geld sparen durch Wissen
Wer Etiketten richtig interpretieren kann, erkennt schnell, ob ein teures Futter seinen Preis wert ist oder ob ein günstigeres Produkt die gleiche Qualität bietet. Oft zahlen Pferdebesitzer für aufwendige Verpackung und Marketing, während die eigentlichen Inhaltsstoffe durchschnittlich sind.
Was gesetzlich auf jedes Etikett muss
Die Pflichtangaben im Überblick
Jedes Pferdefutter muss bestimmte Informationen tragen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Diese Mindestangaben sollen Verbrauchern ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen:
- Produktbezeichnung und Futtertyp müssen eindeutig erkennbar sein. Begriffe wie „Ergänzungsfuttermittel“ oder „Einzelfuttermittel“ haben rechtliche Bedeutung und zeigen, ob das Futter als alleinige Nahrung ausreicht („Alleinfuttermittel“) oder ergänzt werden muss.
- Zusammensetzung listet alle verwendeten Rohstoffe auf, beginnend mit dem größten Gewichtsanteil. Diese Information ist entscheidend für die Qualitätsbewertung und sollte so detailliert wie möglich sein.
- Analytische Bestandteile geben die wichtigsten Nährstoffgehalte an – Rohprotein, Rohfett, Rohfaser und Rohasche. Diese Werte ermöglichen den Vergleich zwischen verschiedenen Produkten.
- Zusatzstoffe umfassen alle künstlich zugegebenen Substanzen, von Vitaminen über Spurenelemente bis hin zu Konservierungsstoffen. Jeder Zusatzstoff muss mit seinem korrekten Namen aufgeführt werden sowie mit der Nummer, unter welcher der Zusatzstoff im Futtermittelrecht registriert ist.
Freiwillige Angaben als Qualitätsmerkmal
Hochwertige Hersteller gehen oft über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. Zusätzliche Informationen wie detaillierte Nährwertangaben (z.B. Zuckergehalt), Fütterungsempfehlungen oder Herkunftsangaben zeigen Qualitätsbewusstsein und Transparenz. Einige Hersteller, wie beispielsweise OKAPI, deklarieren nicht nur die Pflichtangaben, sondern sämtliche verwendeten Stoffe; auch solche, die laut Futtermittelrecht nicht deklarationspflichtig wären. Solche umfassenden Angaben sind ein Zeichen für seriöse Hersteller, die nichts zu verbergen haben.
Wo findet man was auf dem Etikett?
Die Anatomie eines Futtermitteletiketts
Futtermitteletiketten folgen meist einem ähnlichen Aufbau, auch wenn die optische Gestaltung variiert. Die wichtigsten Informationen sind oft an verschiedenen Stellen verteilt:
- Vorderseite oder Kopfzeile trägt meist Produktname, Marke und die auffälligsten Werbeaussagen. Hier finden sich manchmal auch grundlegende Angaben wie „Ergänzungsfuttermittel für Pferde“, diese können aber – je nach Philosophie des Herstellers – auch anderswo untergebracht sein.
- Rückseite, Seitenflächen oder unterer Etikettbereich enthalten die detaillierten Pflichtangaben: Zusammensetzung, analytische Bestandteile und Zusatzstoffe stehen hier oft in kleinerer Schrift – aber genau diese Bereiche sind die wichtigsten für die Qualitätsbewertung. Dazu die empfohlene Menge pro Tier und Tag und weitere Angaben wie Fütterungshinweise. Lagerungshinweise geben Aufschluss über die Haltbarkeit und Stabilität des Produkts. Besonders sensible Inhaltsstoffe erfordern spezielle Lagerungsbedingungen, die auf dem Etikett vermerkt sein sollten.
- Deckel oder Boden tragen häufig Chargennummer, Mindesthaltbarkeitsdatum und ggf. weitere Herstellerangaben. Diese Informationen sind wichtig für Rückverfolgbarkeit und Frische des Produkts.
Versteckte Informationen aufspüren
Manche wichtigen Details verstecken sich in unscheinbaren Bereichen. Fütterungsempfehlungen verraten oft mehr über die Nährstoffdichte als die reinen Analysewerte. Wenn ein Hersteller sehr große Tagesrationen empfiehlt (z.B. 2kg pro Pferd und Tag von einem Müsli), deutet das auf eine geringe Nährstoffkonzentration hin. Man füttert also viele leere Kalorien, die man aber leider teuer bezahlt – denn je größer der Sack, desto mehr Geld ist man bereit, dafür auszugeben.
Die wichtigsten Begriffe verstehen
Futtermittelrechtliche Fachsprache entschlüsseln
Das Futtermittelrecht verwendet spezielle Begriffe, die für Laien verwirrend sein können, aber präzise Bedeutungen haben:
- Alleinfuttermittel deckt theoretisch alle Nährstoffbedürfnisse des Pferdes ab und kann als einzige Futterquelle gegeben werden. In der Praxis benötigen Pferde aber zusätzlich Raufutter daher findet man „Alleinfuttermittel“ eher bei Hunde- oder Katzendosenfutter deklariert.
- Einzelfuttermittel enthalten genau einen zugelassenen Rohstoff als Futtermittel. Kauft man beispielsweise Hagebutten als Leckerli oder reines MSM für die Unterstützung des Fellwechsels, dann handelt es sich um Einzelfuttermittel. Diese dienen eigentlich dazu, die Ration mit ganz spezifischen Futtermitteln aufzuwerten.
- Ergänzungsfuttermittel ist dazu bestimmt, die normale Futterration zu ergänzen. Die meisten Kraftfutter für Pferde fallen in diese Kategorie, aber beispielsweise auch Kräutermischungen oder spezielle Futtermittelmischungen, die für Gelenke, Muskelaufbau, Atemwege oder Verdauung angeboten werden.
- Mineralfuttermittel sollen die Ration mit konzentrierten Mineralstoffen und ggf. Vitaminen anreichern. Nur Futtermittel mit über 40% Rohasche dürfen als „Mineralfuttermittel“ bezeichnet werden. Häufig steht groß „Mineralfutter“ auf dem Etikett, der Rohaschegehalt liegt jedoch unter 40%. Hier findet man im Kleingedruckten dann „Ergänzungsfuttermittel“ deklariert – man füttert also viele Füllstoffe und wenig Mineralien, was der Idee eines Mineralfuttermittels widerspricht.
Rohstoff-Bezeichnungen richtig interpretieren
Bei den Zutaten unterscheidet das Futtermittelrecht zwischen Einzelfuttermitteln (wie „Hafer“, „Gerste“) und zusammengesetzten Begriffen (wie „Getreide“, „Getreidenebenerzeugnisse“). Einzelfuttermittel sind meist hochwertiger, da sie genau benennen, was enthalten ist. Sammelbegriffe können qualitativ sehr unterschiedliche Rohstoffe verbergen – von wertvollen Komponenten bis hin zu billigen Füllstoffen. Die Zutaten werden auf dem Etikett unter der „Zusammensetzung“ aufgeführt und zwar in absteigender Reihenfolge. Was am erster Stelle steht, ist also am meisten drin.
Hier kann jedoch getrickst werden, wenn einige Zutaten mit Frischgewicht eingewogen werden, andere jedoch mit Trockengewicht oder manche Futtermittel deutlich schwerer sind als andere. Es gilt das Gewicht der Einwaage und es besteht keine Verpflichtung, dass alle Zutaten denselben Zustand haben müssen. Also gilt wie immer: Augen auf. Hier kann ein in geringen Mengen enthaltenes „schweres“ Futtermittel (wie Hafer oder Gerste) am Anfang der Deklaration stehen, während voluminöse, aber leichte, Komponenten (wie Sojaschalen) am Ende stehen – obwohl sie den größten Teil des Sackinhalts ausmachen können. Gerade billige „Füllmittel“ wie Strukturhäcksel, Sojaschalen, Rübenfasern oder Apfeltrester sind im Wesentlichen leere Kalorien, die den Sack voll machen, ohne zum Nährwert des Futter substantiell beizutragen.

Häufige Verwirrungen und Missverständnisse
Die Prozent-Falle
Viele Pferdebesitzer glauben, höhere Prozentzahlen seien automatisch besser. Das stimmt nur bedingt. Ein Kraftfutter mit 18% Rohprotein ist nicht automatisch besser als eines mit 12%, wenn das erste hauptsächlich minderwertiges Protein aus Nebenerzeugnissen enthält, während das zweite hochwertiges Protein aus Vollkorngetreide liefert.
Natürlichkeits-Mythos
„Ohne künstliche Zusätze“ klingt gesund, kann aber problematisch sein. Pferde benötigen bestimmte Vitamine und Spurenelemente, die in natürlichen Futterkomponenten wie Heu oft nicht ausreichend vorhanden sind. Seriöse Hersteller fügen diese gezielt hinzu und deklarieren sie transparent.
Die E-Nummern-Angst
Zusatzstoffe sind im Futtermittelrecht alle mit Nummern versehen, sodass man genau nachprüfen kann, um welche chemische Variante es sich handelt. Diese Nummern wirken oft bedrohlich, sind aber in der Regel harmloser als ihr schlechter Ruf. Hinter E300 Ascorbinsäure verbirgt sich beispielsweise harmloses Vitamin C. Entscheidend ist nicht die Nummer, sondern die Funktion und Notwendigkeit des Zusatzstoffs.
Qualitätssignale erkennen
Positive Indizien für hochwertige Hersteller
Transparente Deklaration ist das wichtigste Qualitätsmerkmal. Hersteller, die ihre Zusammensetzungen detailliert und verständlich auflisten, haben meist wenig zu verbergen. Weitere Informationen zu Herkunft, Verarbeitung oder Nährstoffgehalten zeigen Professionalität und Qualitätsbewusstsein. Realistische Fütterungsempfehlungen sind ein weiteres positives Signal, ebenso wichtige Zusatzinformationen, die nicht in blumiger Marketingsprache untergehen. Besteht der überwiegende Teil des Etiketts hingegen aus gut lesbarer Marketing-Prosa und sind die eigentlichen Deklarationen in winziger Schrifttype und vielleicht noch in 20 Sprachen als Fließtext ausgewiesen, dann sollte man sich fragen, was der Hersteller hier verstecken möchte.
Warnsignale auf Etiketten
Bezeichnungen wie „Getreidenebenerzeugnisse“ oder „pflanzliche Nebenerzeugnisse“ sind völlig legal, werden aber häufig verwendet, um minderwertige Füllstoffe zu verbergen. Seriöse Hersteller benennen ihre Rohstoffe konkret.
Übertriebene Werbeversprechen sollten skeptisch machen. Wenn ein Futter angeblich alle Probleme löst und für jeden Pferdetyp optimal ist, handelt es sich wahrscheinlich um Marketing statt um sachliche Information. Bietet ein Hersteller drei verschiedene Futtermittel an, die für drei unterschiedliche Pferdetypen oder Gesundheitsprobleme geeignet sind, aber dieselben Inhaltsstoffe haben, dann ist die Wirksamkeit schon sehr fraglich. Kräutermischungen, die als „glutenfrei“ beworben werden, Heucobs, die für ihren besonders niedrigen glykämischen Index gelobt werden oder Futtermittel, welche die perfekte Bemuskelung versprechen bestehen meist aus mehr Marketing als sinnvollem Inhalt.
Praktische Tipps für den Einkauf
Die Etikett-Leseprobe
Bevor man ein neues Futter kauft, sollte man sich die Zeit nehmen, das Etikett oder die Deklaration im Webshop gründlich zu studieren. Der Gesetzgeber schreibt übrigens vor, dass dort, wo das Produkt zum Kauf angeboten wird auch die komplette Etiketten-Deklaration zu finden sein muss – nur wird sie von einigen Anbietern wirklich gut in irgendwelchen Download-Dateien im dritten Untermenü versteckt.
Beim Etiketten-Check helfen folgende Fragen:
Was will ich mit dem Futter überhaupt erreichen?
Sind die Hauptzutaten klar benannt oder verstecken sie sich hinter Sammelbegriffen?
Sind alle Zutaten pferdegerecht und passen sie zu den Bedürfnissen meines Pferdes?
Sind alle notwendigen Zusatzstoffe in sinnvollen Mengen enthalten?
Vergleichbarkeit herstellen
Um verschiedene Futter zu vergleichen, sollte man nicht nur die Kilopreise betrachten, sondern auch die empfohlenen Tagesrationen. Ein scheinbar teures Futter kann günstiger sein, wenn man weniger davon benötigt. So werden von den Herstellern für Müslis oft Mengen von 2-3kg pro Pferd und Tag vorgegeben, um das Pferd optimal zu versorgen. Da ist der 18kg Sack dann in 6-9 Tagen leer und man muss den nächsten kaufen. Von Kräutermischungen werden hingegen meist nur 50-150g pro Tag empfohlen. Da reicht der vermeintlich teure 5kg Sack dann 1-3 Monate!
Mündige Entscheidungen treffen
Das Lesen von Futtermitteletiketten ist keine Geheimwissenschaft, sondern eine Fähigkeit, die jeder lernen kann und sollte. Wer einmal verstanden hat, wie Etiketten funktionieren, kann fundierte Entscheidungen für sein Pferd treffen und wird nicht mehr von Marketing-Versprechen geblendet. Der Aufwand lohnt sich: Besseres Futter führt zu gesünderen Pferden, und durchdachte Kaufentscheidungen sparen langfristig Geld