Die Diskussion um unbegrenzte Raufuttergabe (ad libitum) versus rationierte Gabe beschäftigt viele Pferdehalter. Aus verhaltensbiologischer Sicht ist ad libitum-Fütterung die einzig richtige Wahl – sie entspricht am ehesten dem natürlichen Verhalten.
Praktische Überlegungen sprechen manchmal dagegen:
- Kosten bei teuren Heupreisen
- Verfettung bei leichtfuttrigen Pferden
- Verschwendung durch Zertrampeln
Kompromisse sind möglich: Heunetze verlangsamen die Aufnahme und reduzieren die Verschwendung durch Zertrampeln oder draufmisten. Verschiedene Heuqualitäten können gemischt werden, Heu kann mit Stroh gemischt werden, um nährstoffreicheres Heu „zu verdünnen“ und ständigen Raufutterzugang zu gewährleisten bei reduzierter Kalorienzufuhr. Der Einkauf der Jahresmenge sorgt in der Regel für günstigere Preise, als wenn man ballenweise zukauft. Hier hilft oft ein Gespräch mit dem Heulieferanten und eine schriftlich festgelegte Abnahmegarantie, um die Preise moderat zu halten.
Wasser: Der vergessene Nährstoff
Ein 500 kg schweres Pferd benötigt täglich 30-60 Liter Wasser – bei heißem Wetter oder intensiver Arbeit sogar noch mehr. Wasser ist nicht nur „zum Trinken“ da (und an heißen Tagen auch manchmal zum Planschen), sondern auch für die Verdauung essentiell.
Timing ist wichtig
Pferde sollten jederzeit Zugang zu frischem Wasser haben. Besonders wichtig ist die Wasseraufnahme nach dem Fressen – sie hilft beim Transport des Futters durch den Verdauungstrakt.
Die alte Regel „nach dem Fressen nicht gleich tränken“ ist übrigens überholt. Pferde regulieren ihre Wasseraufnahme selbst sehr gut und trinken nie so viel, dass es schädlich wäre. So kann man häufig beobachten, dass Pferde eine Zeit lang Heu fressen, dann trinken gehen und dann einen schönen Platz zum Dösen aufsuchen.
Fütterungssysteme der Zukunft
Moderne Erkenntnisse über das Fressverhalten führen zu neuen Ansätzen in der Pferdefütterung:
Slow-Feeding-Systeme
Heunetze, Futterraufen mit Schlitzen oder Löchern oder spezielle Slow-Feeder-Systeme verlangsamen die Futteraufnahme und verlängern die Fresszeit. Das Pferd muss wieder arbeiten für sein Futter – wie in der Natur. Gleichzeitig wird Verlust von wertvollem Heu reduziert und Fresspausen vermieden.
Mehrere kleine Futterplätze
Statt einer großen Raufe an einem Ort werden mehrere kleine Futterstellen eingerichtet. Das fördert Bewegung zwischen den Heustationen und reduziert Stress in der Herde, da rangniedere Tiere ausweichen können.
Automatische Fütterungssysteme
Computergesteuerte Futtersysteme können Kraftfutter in kleinen Portionen über den Tag verteilen. So wird das natürliche Fressverhalten nachgeahmt, auch wenn der Halter nicht ständig anwesend ist. Für Raufutter sind zeitgesteuerte Systeme jedoch nicht artgerecht, da immer erzwungene Fresspausen entstehen.
Zurück zur Natur
Das Fressverhalten ist einer der ursprünglichsten Instinkte des Pferdes. Wer diesen Instinkt missachtet, riskiert nicht nur gesundheitliche Probleme, sondern auch Verhaltensstörungen und chronischen Stress beim Pferd.
Die gute Nachricht: Viele Probleme lassen sich durch einfache Änderungen in der Fütterungspraxis lösen. Mehr Raufutter, kleinere Kraftfutterportionen und das Vermeiden Fresspausen kosten oft nicht mehr Geld, erfordern aber ein Umdenken in der Stallroutine.
Letztendlich geht es darum, das Pferd wieder als das zu sehen, was es ist: einen Dauerfresser, der Glück und Zufriedenheit vor allem durch kontinuierliche Beschäftigung mit seinem Futter findet. Ein kauendes Pferd ist ein glückliches Pferd! Wer seinem Pferd diese natürliche Verhaltensweise ermöglicht, wird mit einem gesünderen, ausgeglicheneren und zufriedeneren Partner belohnt.
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