Lesedauer 5 Minuten  

Wie die richtige Futterwahl das Dosha-Gleichgewicht unterstützt und zur Gesunderhaltung beiträgt

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Ayurveda wird Futter nicht nur nach Nährstoffen, sondern nach energetischer Wirkung bewertet.
  • Jede Futterkomponente wirkt kühlend oder wärmend, trocknend oder befeuchtend, schwer oder leicht verdaulich.
  • Die Fütterung sollte an die individuelle Dosha-Konstitution und das aktuelle Ungleichgewicht angepasst werden.
  • Auch Jahreszeit, Lebensphase, Haltungsbedingungen und Klima beeinflussen die Fütterungswahl.
  • Vata-Typen profitieren von warmem, befeuchtendem Futter; Pitta-Typen von kühlenden Komponenten; Kapha-Typen von anregenden, trocknenden Futterarten.
  • Die ayurvedische Fütterung zielt auf Ausgleich – nicht auf Standardrationen.
  • Eine angepasste Fütterung unterstützt Stoffwechsel, Verdauung, Verhalten und Regeneration.

Ayurvedische Fütterung: Ein ganzheitlicher Ansatz

In der ayurvedischen Lehre wird Futter – ganz im Gegensatz zu unseren westlichen Herangehensweisen – niemals ausschließlich nach seiner chemischen Zusammensetzung beurteilt, sondern vielmehr nach seiner komplexen Wirkung auf den gesamten Organismus. Diese ganzheitliche Betrachtungsweise berücksichtigt verschiedene energetische Eigenschaften, die weit über die reine Nährstoffanalyse hinausgehen.

Die vier Säulen der ayurvedischen Futterbewertung

Geschmack (Rasa) bildet die erste Bewertungsebene und umfasst sechs grundlegende Geschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb. Jeder Geschmack hat eine spezifische Wirkung auf die Doshas und den Stoffwechsel.

Energie (Virya) beschreibt die thermische Wirkung des Futters – ob es wärmend oder kühlend auf den Organismus wirkt. Diese Eigenschaft ist besonders wichtig für temperamentvolle oder hitzeempfindliche Pferde.

Nachwirkung (Vipaka) bezieht sich auf die langfristige Wirkung nach dem Verdauungsprozess und beeinflusst, wie das Futter den Körper über Stunden hinweg beeinflusst.

Qualitäten (Gunas) umfassen physische Eigenschaften wie schwer oder leicht verdaulich, trocken oder ölig, sowie kalt oder warm. Diese Qualitäten entscheiden maßgeblich darüber, ob ein Futtermittel das Gleichgewicht eines bestimmten Doshas unterstützt oder möglicherweise stört.

Die ayurvedische Fütterung dient daher, genauso wie die Ernährungslehre der TCM, nicht nur der reinen Nährstoffversorgung, sondern dem gezielten energetischen Ausgleich des individuellen Pferdes.

Dosha-spezifische Fütterungsstrategien

Bei allen Pferdetypen bildet natürlich Heu in ausreichender Menge und Qualität die Grundlage. Es ist sozusagen „neutral“. In der Ayurveda-Fütterung kann es dann gezielt ergänzt werden:

Vata-Typ: Stabilisierung durch Wärme und Feuchtigkeit

Vata-Pferde neigen von Natur aus zu Trockenheit, Nervosität und Verdauungsschwäche. Ihre sensible Konstitution profitiert von stabilisierenden, wärmenden Futterrationen, die Ruhe und Ausgeglichenheit fördern.

Optimal geeignete Futtermittel: Leicht angewärmt gefütterte Heucobs oder lauwarmes, getreidefreies Mash, ergänzt durch kleine Mengen hochwertiger Ölsaaten wie frisch geschrotetem Leinsamen, Wildsamenmischungen oder Sonnenblumenkernen. Wärmende Gewürze wie Fenchel, Ingwer oder Kreuzkümmel, dem Mash oder den Heucobs zugegeben, unterstützen die Verdauung, während das feucht eingeweichte Futter (Heucobs oder getreidefreies Mash) die natürliche Trockenheitstendenz ausgleichen. Auch warme Kräutertees aus Anis, Fenchel und Kümmel wirken beruhigend und verdauungsfördernd.

Zu vermeidende Futtermittel: Kalte, trockene Futtermittel wie reines Stroh oder gefrorenes Gras am Morgen können die Vata-Symptome verstärken. Plötzliche Futterwechsel und Futterpausen belasten das ohnehin sensible Verdauungssystem und sollten vermieden werden.

Pitta-Typ: Kühlung für das innere Feuer

Pitta-Pferde verfügen über ein außergewöhnlich starkes „Verdauungsfeuer“, neigen jedoch gleichzeitig zu Übersäuerung und Hitzereaktionen. Ihre Fütterung sollte kühlend, reizarm und ausgleichend gestaltet werden.

Optimal geeignete Futtermittel: Kühlende Kräuter wie Pfefferminze, Brennnessel und Melisse wirken beruhigend auf das erhitzte Pitta-System. Kalt eingeweichte Esparsette oder ein kalt angesetztes, getreidefreies Mash kann die Basis bilden für die Zufütterung. Wärmende Kräuter und Gewürze sollten unbedingt vermieden werden. Kühlende Apfel- oder Birnenschalen in moderaten Mengen liefern natürliche Süße ohne zu stark erhitzende Wirkung, wenn die bittere Esparsette nicht gerne gefressen wird. Tees mit bitteren oder adstringierenden Kräutern unterstützen die Entgiftung und kühlen das System. Bitterkräutermischungen können auch wunderbar unter ein getreidefreies Mash gemischt werden.

Zu vermeidende Futtermittel: Scharfe, saure oder übermäßig proteinreiche Futtermittel können Pitta-Störungen verstärken. Daher sollte Heulage (sauer) ebenso wie Kurkuma, Ingwer und ähnlich „heiße“ Gewürze vermieden werden. Auch die Fütterung mit Luzerneheu, wie sie in südlichen Ländern oft üblich ist, ist keine so gute Idee.

Kapha-Typ: Aktivierung durch Leichtigkeit und Wärme

Kapha-Pferde zeigen oft eine Neigung zu Trägheit, Übergewicht und Schleimansammlungen. Ihre Fütterung sollte aktivierend, trocken und stoffwechselanregend gestaltet werden, um die natürliche Schwere des Kapha-Doshas auszugleichen.

Optimal geeignete Futtermittel: Wärmende, trocknende Kräuter wie Ingwer, Thymian und Kurkuma regen den trägen Stoffwechsel an. Bitterstoffe aktivieren die Verdauung und fördern die Entschlackung, ebenso wie nierenanregende Kräuter. Der Wassergehalt im Futter sollte moderat gehalten werden – übermäßig eingeweichte Heucobs oder häufige Mash-Fütterung können die Kapha-Tendenz verstärken.

Zu vermeidende Futtermittel: Süße Komponenten wie große Mengen Möhren, Äpfel oder Getreide und seine Nebenprodukte, können die Kapha-Eigenschaften verstärken. Öl und zu viel Feuchtigkeit im Futter sowie energiereiche Fütterung ohne entsprechende Bewegung sollten vermieden werden.

Umweltfaktoren und individuelle Anpassung

Die ayurvedische Fütterung berücksichtigt nicht nur die Grundkonstitution, sondern passt sich dynamisch an äußere Einflüsse an. Vata-Typen benötigen im unruhigen Herbst verstärkten Schutz durch wärmende, erdende Futtermittel. Pitta-Pferde profitieren im heißen Sommer von besonders kühlenden Komponenten, während Kapha-Typen im trägen Frühjahr stoffwechselanregende Elemente brauchen.

Weitere wichtige Faktoren sind das Alter des Pferdes, die aktuelle Trainingsbelastung und die Haltungsform. Ein Boxenpferd hat andere Bedürfnisse als ein Offenstallpferd, und ein Rentner benötigt eine andere Fütterungsstrategie als ein Sportpferd in intensivem Training.

Fütterung im Ayurveda ist kein starres Konzept – sondern eine tägliche Entscheidung zugunsten des Gleichgewichts.

Individuell statt standardisiert

Die ayurvedische Fütterung lädt Pferdebesitzer dazu ein, ihr Pferd nicht mit einem pauschalen Standardplan zu versorgen, sondern wirklich achtsam hinzusehen: Was braucht mein Pferd heute? Welche konstitutionellen Tendenzen zeigt es aktuell, und wie kann das Futter als ausgleichender, harmonisierender Faktor wirken?

Wer beginnt, Futtermittel nicht nur nach Rohfaser- oder Energiegehalt zu beurteilen, sondern auch nach ihrer energetischen Wirkung und individuellen Verträglichkeit, erweitert seinen Horizont erheblich – und kann langfristig einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit und zum Wohlbefinden seines Pferdes leisten.

Team Sanoanimal