Übergewicht beim Pferd nachhaltig reduzieren
Das Wichtigste in Kürze
- Radikale Futterkürzungen erhöhen das Risiko für Magengeschwüre, Dysbiosen und Stress – und verschlechtern langfristig den Stoffwechsel.
- Der Jojo-Effekt entsteht, wenn der Körper in den Sparmodus schaltet: weniger Grundumsatz, Muskelabbau, hartnäckige Fettdepots und schnell sind die Kilos wieder drauf.
- Pferde sind Dauerfresser – lange Fresspausen sind kontraproduktiv und gesundheitlich riskant.
- Nachhaltiger Gewichtsverlust braucht angepasstes Raufutter, passendes Stallmanagement und kluges Training statt „Crash-Diät“.
- Nicht jedes „Weidekilo“ ist ein Drama; ein Teil reguliert sich im Winter über höheren Energiebedarf von selbst.
- Erst richtig einschätzen, dann handeln: Mit der Sanoanimal App Fettpolster vs. Lympheinlagerung unterscheiden und die Maßnahmen korrekt wählen.
Warum Crash-Diäten beim Pferd keine Lösung sind
Nach einem weidereichen Sommer sehen viele Pferde üppiger aus – verständlich, wenn der erste Impuls im Herbst dann „schnell abnehmen“ heißt. Doch drastisches Kürzen der Futterration löst selten das Problem. Pferde sind physiologisch darauf ausgelegt, viele Stunden rund um die Uhr strukturreiches Raufutter aufzunehmen. Werden Fresspausen erzwungen durch Heurationierung, steigt das Risiko für Magengeschwüre deutlich. Gleichzeitig kippt die Darmflora leichter in eine Dysbiose, was die Futterverwertung verschlechtert und Entzündungsprozesse befeuern kann. Stress durch Futtermangel kommt obendrauf – und der macht Abnehmen nicht leichter, sondern schwerer.
Jojo-Effekt und „Sparmodus“: was im Stoffwechsel bei Diät wirklich passiert
Bei Unterversorgung, beispielsweise durch reduzierte Heufütterung, senkt der Organismus den Energieverbrauch. Der Körper spart, da ja offenbar Energiemangel herrscht. Außerdem ist der Stoffwechsel des Pferdes nicht für Fettabbau optimiert. Daher baut er bei „Friss die Hälfte“ Diät eher Muskeln ab und hält an den Fettreserven fest, denn es könnten ja noch schlechtere Zeiten kommen.
Kommt nach der Diätphase wieder mehr Futter, füllt er die Depots besonders schnell und gerne noch ein bisschen Extra-Reserve – der klassische Jojo-Effekt. Für Pferde heißt das: Kurzfristig weniger Kilos auf der Waage, langfristig ein ungünstigerer Stoffwechsel und schnelleres Wieder-Zunehmen. Das schaukelt sich von Jahr zu Jahr weiter hoch, die Schilddrüse kommt irgendwann völlig durcheinander und das Pferd endet im finalen EMS oder – wenn es noch länger geht – mit Cushing Symptomen.
Dauerfresser-Physiologie: warum erzwungene Fresspausen riskant sind
Das Pferd ist ein Dauerfresser. Der Magen produziert kontinuierlich Magensäure, die durch Rohfaser gepuffert werden muss. Längere Pausen bedeuten weniger Puffer, mehr Säurekontakt mit der Schleimhaut und damit ein höheres Magengeschwür-Risiko. Zudem wird der gleichmäßige Futterfluss durch den Verdauungstrakt gestört, der wichtig ist für ein stabiles Mikrobiom im Dickdarm. Kurz: Statt hungern lassen lieber sinnvoll füttern.
Nachhaltige Strategie: Qualität, Management, Bewegung
Gesundes Abnehmen ruht auf drei Säulen:
- Raufutterqualität anpassen (nährstoffarmes Heu satt anstatt teurer, sinnloser Zusätze).
- Druchdachtes Stall- und Fütterungsmanagement mit durchgehender Raufutterversorgung, kritischer Betrachtung von allem, was in den Trog kommt und Verbot von „Snacken nebenbei“ (ein Leckerli hier, eine Möhrchen da…).
- Gezieltes Training zur Erhöhung des Energieverbrauchs und zum Erhalt von Muskulatur bei gleichzeitigem Fettabbau durch Energieverbrauch.
So bleibt der Stoffwechsel stabil, das Mikrobiom in Balance und das Pferd mental ausgeglichen. Denn schlechte Laune gibt es nicht nur bei uns Frauen, wenn wir nichts zu Essen bekommen.
Fett oder Lymphe?
Dazu kommt beim Pferd, dass nicht jedes „Mehr an Umfang“ tatsächlich Fett ist. Lymphatische Einlagerungen machen Pferde schnell „rund“, ohne dass die klassische Fettleibigkeit vorliegt. Bevor du die Ration umstellst, checke den Status deines Pferdes mit der kostenlosen Sanoanimal App. Denn wenn das Pferd lymphatisch ist, dann muss man therapeutisch etwas anders rangehen als bei einem Pferd, das Fett eingelagert hat.
Insbesondere Pferde, bei denen man schon in der Vergangenheit „Reduktionsdiäten“ versucht hat und die davon scheinbar eher noch mehr geworden sind als weniger, hat man häufig mit Übergewicht durch Lympheinlagerungen zu tun. Bringt man hier den Stoffwechsel in Ordnung, sind viele Besitzer geschockt, wie wenig Pferd eigentlich unter all der Lymphe zum Vorschein kommt – weil man die komplette Muskulatur „weggehungert“ hat durch die rationierte Heufütterung.
Sommerkilos ohne Panik – warum der Winter mitarbeitet
Leichte Zunahmen von der Weide bedeuten aber nicht automatisch Handlungsdruck. Es ist der natürliche Rhythmus bei Wildpferden, über den Sommer Gewicht zuzulegen, wenn reichlich nahrhaftes Futter zur Verfügung steht. Im Winter steigt der Energieaufwand für Thermoregulation, was – bei passender Raufutterstrategie – die Gewichtsnormalisierung unterstützt. Entsprechend nehmen auch Wildpferde die im Sommer angefutterten Kilos meist über den Winter wieder ab.
Entscheidend ist das Pferd richtig zu managen: gleichmäßige Raufutterversorgung, passenden Raufutterqualität, Nutzung von Slowfeedern und keine überflüssigen Kalorienquellen (so schwer es uns auch fällt, den Trog nicht mit dem leckeren Mash zu füllen…).
Pferde kann man nicht schlank füttern – nur schlank managen.
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