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Wie man mit durchdachter Hygiene und artgerechter Fütterung die Insektenbelastung drastisch reduzieren kann

Das Wichtigste in Kürze

  • Mistmanagement: Tägliches Abmisten und stallentfernte Lagerung reduzieren Fliegenpopulation drastisch
  • Wasserhygiene: Stehende Gewässer sind Brutstätten für Mücken und müssen eliminiert werden
  • Ernährungseinfluss: Zuckerreiche Fütterung macht Pferde attraktiver für blutsaugende Insekten‘
  • Bitterkräuter: Bitter- und Gerbstoffe verändern den Körpergeruch und wirken abschreckend‘
  • Natürliche Helfer: Schwalben, Fledermäuse und andere Insektenfresser reduzieren die Plagegeister
  • Strategische Planung: Windkanäle und Standortwahl beeinflussen die Insektenbelastung erheblich

Der Kampf gegen Insekten beginnt nicht erst auf der Weide, sondern bereits im Stall und im Futtertrog. Mit durchdachtem Management und der richtigen Ernährungsstrategie können Stallbetreiber und Pferdehalter gemeinsam die Insektenbelastung für die Pferde erheblich reduzieren – oft ohne eine einzige Fliegendecke zu benötigen. Die Natur bietet uns dabei bewährte Lösungen, die wir nur richtig nutzen müssen.

Mistmanagement: Der Schlüssel zur Fliegenkontrolle

Warum Pferdemist Insekten magisch anzieht

Pferdemist ist für Stallfliegen das, was ein Fünf-Sterne-Restaurant für Gourmets ist: der perfekte Ort zum Leben und Vermehren. Die organischen Bestandteile, die Feuchtigkeit und die Wärme schaffen ideale Brutbedingungen für den Nachwuchs. Eine einzige Fliegengeneration kann sich innerhalb weniger Wochen zu einer regelrechten Plage entwickeln, wenn der Mist nicht konsequent entfernt wird.

Tägliches Abmisten als Grundregel

Die wichtigste Maßnahme gegen Fliegen ist so einfach wie effektiv: tägliches, gründliches Abmisten aller Stallbereiche. Dabei geht es nicht nur um die offensichtlichen Pferdeäpfel, sondern auch um feuchte Einstreu und versteckte Ecken, in denen sich Kot ansammeln kann.Besonders kritisch sind warme Bereiche wie sonnenbeschienene Ausläufe oder schlecht belüftete Stallecken. Hier vermehren sich Fliegen besonders schnell, da die erhöhte Temperatur die Entwicklung beschleunigt.

Strategische Mistlagerung

Mindestens genauso wichtig wie das Abmisten ist der richtige Umgang mit dem gesammelten Mist. Die Lagerung sollte so weit wie möglich vom Stall entfernt erfolgen – idealerweise mindestens 100 Meter. Fliegen haben einen beachtlichen Aktionsradius, aber je weiter die Brutstätte entfernt ist, desto geringer wird die Belastung im Stallbereich. Ein gut angelegter Misthaufen kompostiert richtig und erhitzt sich dabei so stark, dass Fliegenlarven abgetötet werden. Regelmäßiges Umsetzen und eine ausgewogene Mischung aus feuchten und trockenen Bestandteilen fördern diesen Prozess.

Wassermanagement: Mückenbrutplätze eliminieren

Versteckte Gefahrenquellen aufspüren

Stechmücken benötigen stehendes Wasser zur Fortpflanzung. Selbst kleinste Wasseransammlungen können binnen weniger Tage zu Mückenbrutplätzen werden. Eine systematische Kontrolle des gesamten Stallgeländes deckt oft überraschende Wasseransammlungen auf: Vergessene Eimer in Gebüschen, verstopfte Regenrinnen, undichte Wasserleitungen oder Pfützen, die nach Regenfällen tagelang stehen bleiben. Auch Wasserkübel, die selten gereinigt werden, können zu Problemherden werden.

Präventive Wasserhygiene

Die Lösung liegt in konsequenter Hygiene und regelmäßiger Kontrolle. Wasserkübel sollten mindestens wöchentlich gründlich gereinigt werden. Eimer und Wannen dürfen nicht dauerhaft mit Wasser gefüllt herumstehen, wenn sie nicht aktiv genutzt werden. Bei größeren Wasserflächen wie Teichen oder Regenrückhaltebecken können Fische als natürliche Mückenlarven-Vertilger eingesetzt werden. Auch spezielle Bakterienpräparate, die Mückenlarven abtöten, sind eine umweltfreundliche Option, sollten aber mit Bedacht eingesetzt werden und nur dort, wo es keine andere Lösung gibt, beispielsweise in Entwässerungsgräben ehemaliger Feuchtwiesen.

Drainage und Entwässerung

Langfristig sollten problematische Bereiche durch bessere Drainage, Paddockplatten, Aufkiesung, Bepflanzung oder andere Maßnahmen so verändert werden, dass sich kein Wasser mehr ansammeln kann. Diese Investition zahlt sich durch deutlich weniger Mückenprobleme schnell aus.

Ernährung: Wenn das Futter die Pferde zu Insektenmagneten macht

Das Geheimnis des „süßen Blutes“

Die Volksweisheit, dass manche Menschen ein „süßes Blut“ haben und deshalb häufiger gestochen werden, enthält mehr Wahrheit, als lange vermutet wurde. Bei Pferden ist dieser Zusammenhang sogar noch deutlicher nachweisbar: Die Ernährung beeinflusst direkt, wie attraktiv ein Pferd für blutsaugende Insekten ist.

Zucker als Insektenmagnet

Pferde mit hohen Blutzuckerwerten sind für Mücken und Bremsen besonders interessant. Der Grund ist simpel: Je höher der Zuckergehalt im Blut, desto mehr Energie erhält das Insekt pro Blutmahlzeit. Evolutionär haben sich die Blutsauger daher darauf spezialisiert, besonders „ergiebige“ Wirte zu erkennen und zu bevorzugen. Moderne Pferdefütterung mit ihren zuckerreichen Müslis, Getreide und süßem Obst und Gemüse (Karotten!) treibt den Blutzuckerspiegel künstlich in die Höhe. Was gut gemeint ist, macht das Pferd zur bevorzugten Zielscheibe für Insekten.

Problematische Futtermittel identifizieren

Besonders kritisch sind:

  • Müslis mit hohem Zucker- oder Stärkegehalt
  • Süße Leckerlis wie Äpfel, Karotten oder kommerzielle Pferdeleckerlis
  • Versteckte Zucker, durch zugesetzte Melasse, Sirup, Rübenschnitzel, Apfeltrester & Co
  • Heulage und andere gärende Futtermittel, die den Darmstoffwechsel belasten, weil auch ein saurer Körpergeruch Insekten anlockt

Der Weg zur insektenabweisenden Ernährung

Eine artgerechte, zuckerarme Ernährung macht Pferde deutlich weniger attraktiv für Insekten. Das Grundfutter sollte aus hochwertigem, zuckerarmem Heu bestehen. Kraftfutter ist oft ganz verzichtbar oder kann durch gesunde Produkte wie z.B. das OKAPI Vierjahreszeitenkräuterfutter oder die Fix & Fertig Esparsettepellets ersetzt werden.

Pferd mit Fliegenmaske streckt die Zunge raus
© Adobe Stock / Jan

Bitterkräuter: Natürliche Insektenabwehr von innen

Wie Bitterstoffe wirken

Wildpferde haben Zugang zu einer Vielzahl von Pflanzen mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Viele davon enthalten Bitterstoffe, die nicht nur die Verdauung unterstützen, sondern auch den Körpergeruch so verändern, dass Insekten das Pferd meiden.

Bewährte Kräuter gegen Insekten

Löwenzahn ist einer der effektivsten natürlichen Insektenschutzmittel und wird von den meisten Pferden mit Begeisterung gefressen. Seine Bitterstoffe stabilisieren die Darmflora und verändern die Ausdünstungen des Pferdes. Auch Schafgarbe und Eichenrinde haben ähnliche Eigenschaften und sind gleichzeitig gut für die Darmgesundheit, daher suchen viele Pferde gezielt Eicheln oder naschen am Eichenlaub, sofern man sie lässt. Beifuß und Wermut gelten traditionell ebenfalls als insektenabweisend, müssen aber dosiert eingesetzt werden, da sie extrem bitter sind und gerade Wermut pur oft gar nicht gefressen wird.

Richtige Dosierung und Anwendung

Bitterkräuter sollten nicht dauerhaft in großen Mengen gefüttert werden, sondern kurweiseüber 2-3 Wochen. Eine Mischung verschiedener Kräuter ist oft effektiver als die Gabe einzelner Pflanzen. Wichtig ist die Qualität: Deutsche Arzneibuchqualität einkaufen oder Mischungen von Herstellern, die solche Qualitäten anbieten. Getrocknete Kräuter verlieren schnell ihre Wirkstoffe und müssen daher dunkel und trocken gelagert werden.

Vorsicht vor Wundermitteln

Von Knoblauch als Insektenabwehr wird eher abgeraten, da die für eine effektive Abwehr erforderlichen Mengen bei Pferden zur Anämie führen können. Auch andere „Geheimtipps“ sollten kritisch hinterfragt und nur nach Rücksprache mit einem Tierarzt oder kompetenten Therapeuten eingesetzt werden.

Natürliche Verbündete fördern

Schwalben: Die effektivsten Fliegenjäger

Eine einzige Schwalbe vertilgt täglich mehrere tausend Insekten. Rauchschwalben jagen bevorzugt in Stallnähe, während Mehlschwalben auch im Außenbereich aktiv sind. Das Bereitstellen von Nistmöglichkeiten und der Verzicht auf Störungen während der Brutzeit können die Population dieser nützlichen Vögel fördern. Ein Stall ohne Schwalben ist ein trauriger Ort.

Fledermäuse als nächtliche Helfer

Fledermäuse sind spezialisiert auf nachtaktive Insekten und können in einer Nacht ihr eigenes Körpergewicht an Mücken vertilgen. Fledermauskästen in der Nähe des Stalls locken diese effizienten Jäger an.

Weitere natürliche Feinde

Auch andere Vögel wie Mauersegler, Bachstelzen oder sogar Spinnen leisten wertvolle Dienste bei der Insektenbekämpfung. Ein naturnaher Stallbereich mit Versteckmöglichkeiten und Nistplätzen fördert diese Artenvielfalt.

Strategische Standortplanung

Wind als natürlicher Insektenschutz

Insekten haben bei Wind deutlich größere Probleme beim Landen, weshalb dauerwindige Küstenregionen oft deutlich weniger von lästigen Insekten heimgesucht werden als windstille Regionen. Durch geschickte Anordnung von Hecken kann der natürliche Wind kanalisiert und verstärkt werden. Wichtig ist, dass die Hecken längs zur Hauptwindrichtung gepflanzt werden, damit ein kontinuierlicher Luftstrom entsteht.

Standortwahl bei Neubauten

Bei der Planung neuer Stallungen sollte die Insektenbelastung von Anfang an mitgedacht werden. Ställe in der Nähe von Feuchtgebieten oder stehenden Gewässern haben naturgemäß höhere Insektenpopulationen. Auch die Ausrichtung zur Hauptwindrichtung und die Möglichkeit natürlicher Beschattung beeinflussen das Insektenaufkommen.

Mikroklima optimieren

Selbst bei bestehenden Anlagen lassen sich durch kleine Veränderungen große Effekte erzielen. Das Entfernen von windblockierenden Hindernissen, das Schaffen von Luftschneisen oder die gezielte Bepflanzung können das Mikroklima so verändern, dass Insekten weniger günstige Bedingungen vorfinden. So gibt es auch einige Baum- oder Buscharten, die ihr Umfeld für Insekten unattraktiv machen. Nicht ohne Grund werden Biergärten traditionell mit Kastanien bepflanzt. Die Bauern, die schon immer gute Beobachter der Natur waren, stellen schon seit vielen Generationen gezielt Geranien vor das Schlafzimmerfenster, weil der Geraniol-Geruch die lästigen Fliegen und Mücken abhält. Vor der Wohnhaustür wurde aus gutem Grund oft ein Walnussbaum gepflanzt und darunter die Bank für den Feierabend aufgestellt – so kann man mit Hilfe der Natur den unerwünschten Plagegeistern ein Schippchen schlagen.

Ganzheitlicher Ansatz für nachhaltige Erfolge

Die effektivste Insektenbekämpfung kombiniert alle diese Ansätze zu einem ganzheitlichen Konzept. Stallhygiene, durchdachte Ernährung und die Förderung natürlicher Fressfeinde ergänzen sich gegenseitig und schaffen ein Umfeld, in dem sich Insekten nicht wohlfühlen.Der große Vorteil: Diese Maßnahmen sind nicht nur effektiv gegen Insekten, sondern fördern gleichzeitig die Gesundheit der Pferde und die Artenvielfalt am Stall. So entsteht ein natürliches Gleichgewicht, das ohne den Einsatz chemischer Mittel oder übermäßige technische Hilfsmittel auskommt.

Team Sanoanimal