Der Rücken eines Pferdes ist nicht nur ein faszinierendes anatomisches Meisterwerk, sondern auch ein entscheidender Faktor für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Oft sind es nicht nur muskuläre Verspannungen, die den Rücken belasten, sondern auch die Faszien – ein Teil des Bindegewebes, das den gesamten Körper durchzieht und entscheidend für die Beweglichkeit ist.
Wie entstehen Rückenprobleme beim Pferd?
Rückenprobleme bei Pferden können viele Ursachen haben! Häufig werden Verspannungen hier als erste Ursache genannt. Doch Verspannungen sind meistens nur eine Folgekette von verschiedenen Problemen wie Fehlbelastungen, unpassendes Training oder ganz vorne mit dabei: falsche Bewegungsmuster. Solche unphysiologischen Bewegungsmuster führen dazu, dass Muskulatur und Faszien ihre ursprünglichen Funktionen nicht mehr angemessen erfüllen können. In der Folge übernehmen sie kompensatorisch andere Aufgaben, was zu einer Überlastung und langfristig zu Funktionsstörungen führen kann. In diesem Zusammenhang spricht man von einer sogenannten myofaszialen Dysfunktion.
Dies bedeutet, dass durch die eingeschränkte oder fehlerhafte Funktion von Muskulatur und Faszien die gesunderhaltende Beweglichkeit des Pferdes erheblich gestört oder sogar vollständig verhindert werden kann. Arbeiten die Faszien im Körper des Pferdes nicht mehr funktional zusammen, kann die Vorwärtsbewegung der Hinterhand nicht mehr effizient über den Rücken bis zur Vorhand weitergeleitet werden und von der Vorhand in ein gutes Vorwärts umgesetzt werden. In der Folge gelingt es dem Pferd nicht mehr, den Rumpf ausreichend zu stabilisieren – mit weitreichenden Konsequenzen. Neben typischen Problemen des Bewegungsapparats wie Trageerschöpfung sowie Schäden an Sehnen und Fesselträgern kann es auch zu Atemwegsproblemen kommen. Denn das Zwerchfell, das nicht nur als wichtigster Atemmuskel, sondern auch als zentrale fasziale Verbindung zwischen Brust- und Bauchraum wirkt, verliert durch verspannte Strukturen an Flexibilität. Eine gestörte Zwerchfellaktivität beeinträchtigt nicht nur die Atmung selbst, sondern auch die Druckverhältnisse im Körper – mit Folgen für Lunge, Herz, Verdauung und allgemeines Wohlbefinden.
Was sind Faszien? – Das unsichtbare Netzwerk des Körpers
Man kann sie sich wie ein elastisches, dreidimensionales Netzwerk vorstellen, das sämtliche Körperstrukturen – darunter Muskeln, Nerven, Organe, Sehnen und Knochen – miteinander verbindet und umhüllt. Faszien sorgen nicht nur für Stabilität und Form, sondern spielen auch eine zentrale Rolle bei der Kraftübertragung, der Bewegungskoordination und der Speicherung bzw. Freisetzung von Bewegungsenergie. Sie tragen zu einer ausgewogenen Muskelspannung bei und ermöglichen geschmeidige, fließende Bewegungen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist oft von „verklebten Faszien“ die Rede. Fachlich korrekt ist es eine myofasziale Dysfunktion. Dies bedeutet, dass das Muskel-Fasziengewebe nicht in seiner physiologischen Funktion agiert. Hier ist zum Beispiel die Gleitfähigkeit der Faszien eingeschränkt oder das Spannungsverhältnis innerhalb der Faszien und der Muskulatur verändert. Diese Einschränkungen entstehen häufig durch Bewegungsmangel, ungünstige Haltungsbedingungen, oder Überlastung. Infolgedessen kann die Reizweiterleitung über die Nerven gestört sein, und auch die Funktion der Muskulatur wird negativ beeinflusst – was häufig zu Schmerzen und Verspannungen führt.
Besonders kritisch ist dies im Rückenbereich: Trägt das Pferd zusätzlich noch einen Sattel und das Gewicht des Reiters, kann es bei bereits eingeschränkten Faszienstrukturen schnell zu Ausweichbewegungen, Schonhaltungen und langfristigen Kompensationsmustern kommen. Dies beeinflusst den gesamten Bewegungsapparat negativ.
Funktion der Faszien: Ein lange übersehenes Bindegewebe
Faszien wurden lange Zeit als nebensächlich betrachtet und erst in den letzten Jahrzehnten als zentraler Bestandteil des Körpers erkannt. Schon die alten medizinischen Praktiken wussten jedoch um die Bedeutung des Bindegewebes für die Beweglichkeit. Im 19. Jahrhundert begannen Anatomen, die Faszien zu erforschen, aber es war die moderne Faszienforschung, die ihre wesentliche Rolle im Körper des Pferdes entschlüsselte. Faszien sind nicht nur passive Gewebestrukturen, sie sind lebendig, dynamisch und steuern maßgeblich die Körpermechanik.
Heute wissen wir, dass Faszien für die Kraftübertragung und Stabilisierung des gesamten Körpers verantwortlich sind. Sie wirken wie ein elastisches Netzwerk, das die Muskeln verbindet und für Flexibilität und Mobilität sorgt.
Faszien wirken dabei wie eine fein abgestimmte Architektur, die Bewegungen geschmeidig koordiniert und die strukturelle Integrität des Körpers erhält.
Gleichzeitig übernehmen sie eine schützende Funktion: Sie umhüllen und polstern die inneren Organe, schützen vor mechanischen Einwirkungen und helfen dabei, empfindliche Strukturen zu stabilisieren.
Darüber hinaus sind Faszien eng mit dem Immunsystem verknüpft. Sie enthalten zahlreiche Immunzellen und fungieren als biologische Barriere gegenüber Entzündungen, Krankheitserregern und Gewebeveränderungen. Durch ihre hohe sensorische Dichte wirken sie dabei wie ein Frühwarnsystem: Veränderungen im Gewebe – etwa durch Überlastung, Verletzung oder Krankheit – werden frühzeitig registriert und an das Nervensystem weitergeleitet.
In ihrer Gesamtheit fungieren Faszien also als Kraftüberträger, Schutzbarriere und Kommunikationssystem. Diese vielfältigen Aufgaben machen sie zu einem zentralen Element für eine störungsfreie Organfunktion, ein stabiles Immunsystem und einen geschmeidigen Bewegungsapparat. Besonders im Bereich des Rückens und des Rumpfes spielen Faszien eine entscheidende Rolle – sie stabilisieren gemeinsam mit der Muskulatur die Wirbelsäule und tragen gleichzeitig zur Beweglichkeit und zum Schutz der inneren Organe bei.
Anzeichen für Faszienprobleme im Pferderücken
Rückenprobleme bei Pferden sind oft die Folge von “verklebten” oder besser gesagt nicht geschmeidigen Faszien, welche sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen können:
- Empfindlichkeit beim Satteln oder Putzen: Pferde, die bei der Berührung des Rückens empfindlich reagieren oder den Kopf zur Seite drehen, zeigen häufig Anzeichen von Verspannungen im Fasziengewebe. Diese sollten nicht ignoriert werden, da sie auf eine Einschränkung der Beweglichkeit hindeuten.
- Steifer Gang und ungleichmäßige Belastung: Wenn das Pferd beim Laufen steif wirkt oder Schwierigkeiten hat, den Rücken samt Widerrist richtig anzuheben, kann das ein Anzeichen für Faszienprobleme sein. Dies führt dazu, dass das Pferd seine Muskulatur nicht effektiv nutzen kann.
- Unwilligkeit zur Bewegung: Pferde, die unwillig sind zu arbeiten oder Anzeichen von Schmerz zeigen, könnten durch nicht geschmeidige Faszien in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein. Besonders bei Stoffwechselproblemen, starkem Stress oder falscher Haltung entstehen solche Faszienprobleme häufig.
- Verhaltensänderungen: Schmerzen durch myofasziale Dysbalancen können sich auch in Verhaltensauffälligkeiten äußern, wie Nervosität oder ungewöhnliche Reaktionen beim Reiten. Diese Verhaltensänderungen können als direkte Reaktion auf die Einschränkungen der Faszienfunktion verstanden werden.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Faszienprobleme nicht nur den Rücken betreffen, sondern Auswirkungen auf den gesamten Körper des Pferdes haben können. Denn der gesamte Körper ist über sogenannte Muskel-Faszienketten miteinander verbunden. Dadurch gibt es bei Rückenproblemen immer Auswirkungen auch in anderen Bereichen des Körpers.
Zum Beispiel in der Vorhand und/oder der Hinterhand. Blockierte Faszien im Rücken hindern das Pferd daran, das Becken abzukippen und demnach ist die Lastaufnahme der Hinterhand erschwert. Die überlastete Vorhand verliert an Bewegungsfreiheit – die Folge sind Bewegungseinschränkungen, Verspannungen und kompensatorische Fehlhaltungen.
Gleichzeitig kann eine gestörte Rückenmuskulatur auch die Hals- und Schulterpartien betreffen. Wenn der Rücken nicht richtig arbeitet, muss die Hals- und Schultermuskulatur zusätzliche Kompensation leisten. Dieser Versuch, die Belastung auszugleichen, kann weitere Faszienprobleme verursachen und den Bewegungsablauf des Pferdes beeinträchtigen.
Ein weiteres häufig übersehenes Problem ist die Hufgesundheit. Da die Faszien das gesamte Körpergewebe miteinander verbinden, können Rückenschmerzen zu Fehlbelastungen der Hufe führen. Langfristig kann dies zu Hufveränderungen oder sogar Lahmheit führen, da die ungleichmäßige Belastung den gesamten Bewegungsapparat des Pferdes aus dem Gleichgewicht bringt.
Prävention ist entscheidend
Regelmäßige Faszienpflege – etwa durch gezielte manuelle Techniken, Faszienübungen, bewusste Bewegung und korrekt aufgebautes Training – kann helfen, die Gleitfähigkeit des Fasziengewebes zu erhalten, Spannungsmuster frühzeitig zu erkennen und chronische Beschwerden zu vermeiden. Wichtig sind dabei abwechslungsreiche Bewegungsreize wie gymnastizierende Bodenarbeit, ausreichend Möglichkeit zur freien Bewegung und ein passendes Trainingspensum. Auch ein gut sitzender Sattel, ausreichend Ruhephasen und eine stressarme Umgebung tragen wesentlich zur Gesunderhaltung des Fasziennetzes bei.
Die Lösung: Faszienarbeit für einen gesunden Rücken
Die gute Nachricht ist, dass „Faszienverklebungen“ gelöst werden können. Dies hilft nicht nur, Rückenschmerzen zu lindern, sondern auch die Beweglichkeit und Stabilität des gesamten Körpers zu verbessern. Es gibt verschiedene Methoden, die effektiv sind, um Faszien zu mobilisieren, zu aktivieren und den Körper zu stabilisieren:


- Faszienmassagen: Sanfte Massagen entlang des Rückens unterstützen die Durchblutung und helfen, „Verklebungen“ in den Faszien zu lösen. Besonders entlang der Wirbelsäule und im Bereich der Lendenmuskulatur lassen sich so Spannungen abbauen und das fasziale Gewebe gezielt aktivieren.
- Bodenarbeit und gezielte Dehnübungen: Gezielte Bodenarbeit und Dehnübungen fördern nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Fasziengesundheit. Sie verbessern die Beweglichkeit, lösen Spannungen und stärken sowohl die Muskulatur als auch das Körperbewusstsein des Pferdes. Durch kontrollierte Bewegungsreize werden Faszien elastisch gehalten und „Verklebungen“ aktiv vorgebeugt – eine wichtige Grundlage für langfristige Gesundheit und Leistungsbereitschaft.
- Faszien-Tools: Der Einsatz spezieller Faszien-Tools wie speziellen Rollen, Kugeln oder Rädchen etc. kann dabei helfen, das fasziale Gewebe zu mobilisieren, bestimmte Muskulatur zu aktivieren und trainieren, Verspannungen zu lösen und die Durchblutung zu fördern. Durch kontrollierten Druck wird das Gewebe angeregt, Verklebungen können gelöst und die Beweglichkeit verbessert werden. Wichtig: Nicht jedes Tool ist für den allgemeinen Gebrauch geeignet. Insbesondere Faszienrädchen und ähnliche intensiv wirkende Werkzeuge gehören ausschließlich in erfahrene, fachkundige Hände.
- Regelmäßige Bewegung und Abwechslung: Faszien bleiben nur dann geschmeidig und funktionstüchtig, wenn sie regelmäßig und vielseitig bewegt werden. Ein abwechslungsreiches Bewegungsprogramm ist daher essenziell. Gezieltes Training, Ausritte im Gelände, das Einbauen verschiedener Gangarten sowie wechselnde Trainingsformen fördern die Elastizität des faszialen Gewebes und beugen ungesunden Verhärtungen oder „Verklebungen“ vor. Bewegung wirkt dabei wie eine innere Massage: Sie stimuliert den Flüssigkeitsaustausch im Gewebe, löst Spannungen und unterstützt die Regeneration.
Fazit: Faszienarbeit für eine langfristig gesunde Rückenmuskulatur

Faszien spielen eine zentrale Rolle für die Rückengesundheit eines Pferdes. Sie stabilisieren den Rücken, unterstützen die Muskulatur und ermöglichen geschmeidige, koordinierte Bewegungen. Kommt es jedoch zu Einschränkungen im Fasziengewebe – etwa durch Verklebungen oder Spannungsveränderungen –, kann dies Rückenschmerzen verursachen und weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Bewegungsapparat haben. Regelmäßiges Faszientraining, gezielte Massagen und bewegungsorientierte Übungen tragen wesentlich dazu bei, die Rückengesundheit langfristig zu erhalten. Faszienarbeit ist daher nicht nur für die Muskulatur, sondern auch für die Gesamtkoordination und Leistungsfähigkeit des Pferdes von entscheidender Bedeutung.
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