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Die 5 wichtigsten Punkte auf einen Blick:

  • Kalte Nächte + Sonne am Tag = Maximaler Zuckergehalt, besonders bei weniger als 5 °C Bodentemperatur.
  • Warme, bewölkte oder regnerische Tage → Niedriger Zuckergehalt, da weniger Photosynthese.
  • Frühmorgens ist der Zuckergehalt niedrig, da die Pflanze über Nacht Zucker verbraucht hat.
  • Nachmittags bei Sonne ist der Zuckergehalt am höchsten, da viel Zucker produziert, aber noch nicht verbraucht wurde.
  • Gewitterlagen mit hoher Luftfeuchtigkeit und bedecktem Himmel führen tendenziell zu niedrigerem Zuckergehalt, wobei auch Wurzeln als Zuckerspeicher eine Rolle spielen können.

Warum ist der Zuckergehalt im Gras relevant?

Der Begriff „Zuckergehalt“ umfasst mehrere Zuckerarten: zum einen Einfach- und Zweifachzucker (wie Glukose, Fruktose, Saccharose), zum anderen auch solche Zucker mit Speicherfunktion wie Stärke oder Fruktane. Insgesamt wird alles, also Einfach- und Zweifachzucker sowie Stärke und Fruktane, unter sogenannte „Nicht-Strukturkohlenhydrate“(NSC) zusammengefasst. Diese Zuckerarten sind für alle Pferde von zentraler Bedeutung, kommen aber besonders bei Pferden mit Stoffwechselproblemen wie Hufrehe, Insulinresistenz, PSSM oder dem Equinen Metabolischen Syndrom zum Tragen. Besonders hohe NSC-Gehalte können bei empfindlichen Tieren akute Gesundheitsprobleme auslösen.

Was ist eigentlich Photosynthese?

Die Photosynthese ist der Prozess, bei dem Pflanzen aus Sonnenlicht, Kohlendioxid aus der Luft und Wasser letztlich Zucker produzieren – ihre wichtigste Energiequelle. Dabei funktioniert das grüne Blattfarbstoff Chlorophyll wie ein Solarpanel, das die Sonnenenergie einfängt und nutzt, um diese einfachen Grundstoffe in Glucose (Traubenzucker) umzuwandeln. Je intensiver und länger die Sonne scheint, desto aktiver läuft dieser „Zuckerfabrik“-Prozess ab. Deshalb enthalten Gräser und andere Pflanzen an sonnigen, warmen Tagen deutlich mehr Zucker als bei bewölktem, kühlem Wetter oder in den Nachtstunden, wenn die Photosynthese pausiert. Nachts verbrauchen Pflanzen einen Teil ihrer gespeicherten Zuckerreserven für ihren eigenen Stoffwechsel. Außerdem werden die Zuckerbausteine verwendet, um Strukturkohlenhydrate wie Cellulose aufzubauen, welche die Pflanze für Wachstum und Stabilität benötigt.

Einfluss der Tageszeit

Die Tageszeit hat einen deutlichen Einfluss auf den Zuckergehalt im Gras, da sie eng mit der Aktivität der Photosynthese und dem nächtlichen Zuckerverbrauch zusammenhängt. In den frühen Morgenstunden, insbesondere vor Sonnenaufgang, ist der Gehalt an Nicht-Strukturkohlenhydrate (NSC) in der Regel niedrig. Während der Nacht nutzt die Pflanze die gespeicherten Zuckerreserven für das Zellwachstum und die Aufrechterhaltung des Stoffwechsels.

Im Verlauf des Tages, insbesondere bei sonnigem Wetter, nimmt die Photosyntheseleistung zu und damit auch die Zuckersynthese. Gegen Nachmittag hat das Gras häufig den höchsten Gehalt an löslichen Zuckern und Fruktanen, da große Mengen an Zucker produziert, aber noch nicht in neues Pflanzengewebe umgewandelt wurden. Dies macht die späten Nachmittagsstunden besonders kritisch für empfindliche Pferde.

Aber keine Regel ohne Ausnahme, auch das Wetter hat natürlich einen erheblichen Einfluss auf den Zuckergehalt.

Einfluss des Wetters

Das Wettergeschehen beeinflusst über Lichtintensität, Feuchtigkeit und Temperaturen ebenfalls den Zuckergehalt im Gras. Bei klarem Himmel und viel Sonneneinstrahlung ist die Photosynthese besonders aktiv. Die Pflanzen produzieren große Mengen Zucker, die – wenn das Wachstum durch andere Faktoren (z. B. Kälte) gehemmt ist – als Fruktane gespeichert werden.

Bei bewölktem oder regnerischem Wetter hingegen ist die Lichtmenge reduziert. Die Photosyntheseleistung sinkt, entsprechend wird weniger Zucker produziert. Zusätzlich sorgt feuchtwarmes Wetter dafür, dass die Pflanzen den produzierten Zucker direkt ins Wachstum umsetzen, was den Gesamtzuckergehalt (NSC) weiter senkt.

Bei gewittrigen Wetterlagen oder drückend-schwülwarmem Wetter fehlen belastbare wissenschaftliche Daten, doch Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen, dass der Zuckergehalt in solchen Situationen tendenziell eher niedriger ist – vermutlich durch eine Kombination aus geringerer Sonneneinstrahlung und einem aktiven Pflanzenwachstum. Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass bei Stresssituationen wie Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen auch vermehrt Zucker in den Wurzeln gespeichert wird. Diese Reservefunktion der Wurzeln spielt dabei eine wichtige Rolle für die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen.

Höhe des Grases

Hier muss noch erwähnt werden, dass natürlich auch die Höhe des Grases eine entscheidende Rolle spielt, denn in den untersten 8cm des Halmes ist immer am meisten Zucker enthalten. Deshalb sollten Pferde nie auf Weiden grasen, die eine kürzere Halmhöhe aufweisen, um eine vermehrte Zuckeraufnahme zu verhindern. 

Auch Endophyten, in Symbiose mit dem Gras lebende Pilze, sind meist im unteren Teil des Halmes zu finden. Diese produzieren Pilzgifte, die zudem den Stoffwechsel des Pferdes belasten und zu gesundheitlichen Problemen führen könnten.

Temperatur als Schlüsselfaktor

Besonders entscheidend für die Zuckeranreicherung im Gras ist die Temperatur – insbesondere die Bodentemperatur. Liegt diese unter etwa 5 °C, reduziert sich das Wachstum der Pflanzen erheblich. Die Zuckerproduktion durch Photosynthese läuft bei Sonneneinstrahlung aber dennoch weiter. Der produzierte Zucker kann in dieser Situation nicht in neues Gewebe umgesetzt werden und wird stattdessen in Form von Fruktangespeichert – häufig in sehr hohen Konzentrationen. Auch der Gehalt an löslichen Zuckern kann dabei steigen.

Sobald die Bodentemperaturen wieder über etwa 5 bis 6 °C steigen, nimmt das Pflanzenwachstum wieder Fahrt auf. Die Zucker werden dann wieder stärker für die Zellbildung verwendet, wodurch der Gesamtzuckergehalt im Gras sinkt. Ideal sind Temperaturen über 15 °C in Kombination mit bedecktem Himmel oder Regen – unter diesen Bedingungen ist die Fruktanbildung am geringsten, weil der Zucker direkt ins Wachstum umgesetzt wird und keine überschüssige Speicherung erfolgt.

Trockenheit, Hitze und extreme Nässe

Neben Licht und Temperatur hat auch die Wasserversorgung der Pflanzen einen erheblichen Einfluss auf den Zuckergehalt im Gras. Dabei wirken sich Trockenheit, Hitzeperioden sowie anhaltende Nässe jeweils unterschiedlich auf die Zuckerkonzentration aus:

Trockenheit und Hitze

Bei länger andauernder Trockenheit mit hohen Temperaturen kommt es häufig zu einer sogenannten „Stress-Zuckereinlagerung“. Die Pflanze reduziert unter Wassermangel das Wachstum, führt aber bei gleichzeitig starker Sonneneinstrahlung weiterhin Photosynthese durch. Der produzierte Zucker kann nicht ins Wachstum umgesetzt werden und wird deshalb in Form von Fruktanen gespeichert – teils in sehr hohen Konzentrationen. Auch der Gehalt an löslichen Zuckern (z. B. Glukose, Saccharose) steigt dabei oft an. Zusätzlich wird in Stressphasen vermehrt Zucker in die Wurzeln verlagert, um dort als Energiereserve zu dienen und die Pflanze vor Austrocknung zu schützen.

Besonders kritisch ist diese Kombination:

  • Hitzetage (>25–30 °C),
  • klare Sonneneinstrahlung,
  • und ausbleibender Regen über mehrere Tage oder Wochen.

In solchen Situationen kann das Gras bei äußerlich eher „verbranntem“ Aussehen dennoch sehr zuckerreich sein – ein tückischer Zustand für empfindliche Pferde (dasselbe gilt übrigens auch für Heu, das besonders grüne und toll aussehende kann zuckerärmer als das alt aussehende gelbe Heu sein!). Besonders häufig tritt das bei Kurzrasenweiden auf, die unter Trockenheit ohnehin stärker gestresst sind.

Extreme Nässe und Staunässe

Im Gegensatz dazu kann es bei anhaltender Nässe, trübem Himmel und milden Temperaturen zu einem deutlich niedrigeren Zuckergehalt kommen. Die Pflanzen nehmen viel Wasser auf, wachsen gut und setzen die verfügbaren Zucker in neue Blattmasse um. Auch die Lichtverhältnisse sind bei Dauerregen meist schlecht, was die Zuckerproduktion zusätzlich senkt.

Luftdruck und Zucker

Der Luftdruck hat keinen direkten physiologischen Einfluss auf den Zuckergehalt der Pflanzen. Jedoch geht ein sinkender Luftdruck – wie er typischerweise bei herannahendem Schlechtwetter oder Gewitterlagen auftritt – mit Veränderungen im Wetter einher: erhöhte Luftfeuchtigkeit, mehr Bewölkung und geringere Sonneneinstrahlung. Diese Faktoren reduzieren die Photosyntheseleistung der Pflanze und führen damit indirekt zu einem geringeren Zuckergehalt. Auch wenn Luftdruck allein kein verlässlicher Indikator ist, kann er im Zusammenspiel mit anderen Wetterzeichen als Hinweis auf potenziell niedrigeren Zuckergehalt gewertet werden.

Unterschiede zwischen Gras- und Kleesorten

Die Zucker- und insbesondere Fruktangehalte unterscheiden sich teils erheblich zwischen verschiedenen Gräsern und Kräutern:

  • Ryegrass (Englisches Raygras, Weidelgras) weist häufig besonders hohe Fruktangehalte auf, insbesondere in Zuchtformen für Hochleistungskühe.
  • Wiesenschwingel, Wiesenrispe sind ebenfalls sehr zuckerreich
  • Wiesenlieschgras (Phleum pratense) enthält deutlich weniger Fruktan.
  • Kleearten (z. B. Rot- und Weißklee) speichern Zucker vor allem in Form von Stärke und haben einen insgesamt niedrigeren Fruktangehalt als viele Gräser.

Auch bei Kräutermischungen ist die Zuckerkonzentration oft moderater. Die Zusammensetzung der Grasnarbe hat somit erheblichen Einfluss auf die Zuckergehalte im Aufwuchs. Besser geeignet für Pferde sind daher Gräser wie Wiesenfuchsschwanz, Rotes Straußgras, Flecht-Straußgras, Kammgras, Wiesenknaulgras, Rotschwingel, Wiesenlieschgrasoder Einjährige Rispe.

Pferd auf der Weide mit einem Grasbüschel im Maul
© Adobe Stock / Nadine Haase

Praktische Bedeutung für die Weidezeit

Für Pferde mit Insulinresistenz, Hufrehe-Gefährdung oder anderen Stoffwechselproblemen kann ein hoher Gehalt an Nicht-Strukturkohlenhydraten (NSC) im Gras gesundheitlich problematisch sein. Das Wissen um die Einflussfaktoren hilft, risikoreiche Weidezeiten besser zu vermeiden.

Besonders kritisch sind kalte Frühlingstage mit klarem Himmel, intensiver Sonneneinstrahlung und frostigen Nächten – hier kann das Gras extrem hohe Zucker- und Fruktankonzentrationen aufweisen. An solchen Tagen sollten gerade stoffwechselentgleiste Pferde nicht auf die Weide. 
Deutlich günstiger sind dagegen warme, feuchte Tage mit bedecktem Himmel oder leichtem Regen – idealerweise nach einer frostfreien Nacht. In solchen Situationen ist der Zuckergehalt meist gering, und das Risiko für empfindliche Pferde deutlich reduziert.
Liegen die Temperaturen über 5-6°C in der Nacht und der Tag wird sonnig, ist es besser die Pferde morgens auf die Weide zu lassen, bleibt es bewölkt, ist den ganzen Tag Weidegang möglich.
Trockenstress erhöht ebenfalls die Zuckergehalte, auch hier ist es besser die Pferde morgens auf die Weide zu lassen, wenn vielleicht sogar noch etwas Morgentau den Pflanzen Feuchtigkeit spendet.

Zusätzlich zur Weide sollte sowieso immer Heu angeboten werden, damit die Pferde nicht gezwungen sind, zu kurzes Gras zu fressen bzw. bei sehr blattreichem, jungem Gras sich die Darmperistaltik wieder einzustellen. 

Als Faustregel gilt:

  • Erst ab einer Höhe von mindestens 20cm Pferde auf die Weide lassen
  • Sind die Pferde (bei mehr als 20cm Grashöhe) mehr als vier Stunden auf der Weide, Heu mit auf die Weide geben
  • Ist die Koppel fast abgefressen muss auch schon unter einer Stunde Weidegang Heu mit auf die Weide
  • Gras unter 10cm ist nicht als Weide zu betrachten und dient nur der Bewegung, auch hier muss gleich Heu mit auf die Weide bzw. die Pferde sind umzuweiden auf eine nachgewachsene Fläche

Wer sich unsicher ist, kann den Zuckerhalt auf seiner Weide messen. Hierzu das Gras direkt in die Knoblauchpresse geben. Alternativ für mindestens 60 Sekunden in den Händen rollen und dann mit Hilfe einer Knoblauchpresse auf einen Tropfen auf ein Refraktometer geben und sich die Zuckergehalte anschauen. Hierbei erhält man den Wert für die NFC, als alle Einfach- und Mehrfachzucker und die Speicherzucker wie Fruktan. Presst man das Gras direkt oder rollt es nur kurz, misst man eher nur Zucker, je länger das Gras gerollt wird, umso mehr Fruktan wird mitgemessen. Wer sich genauer anschauen möchte, wie das mit der Messung geht, hat hier die Anleitung für die Messung aus Heu: Zuckermessungsanleitung

Team Sanoanimal