Wenn Pferde selbst entscheiden dürfen
Das Wichtigste in Kürze:
- Offenstallhaltung kommt dem natürlichen Verhalten von Pferden am nächsten und ermöglicht permanente Bewegung und Sozialkontakt
- Erfolgreiche Umsetzung erfordert durchdachte Planung, ausreichend Platz und erfahrenes Herdenmanagement
- Mindestens 150-200 m² pro Pferd und mehrere Funktionsbereiche sind für eine artgerechte Gestaltung nötig
- Bodenbeschaffenheit und Drainage sind entscheidend für die Gesundheit der Pferde
- Nicht jedes Pferd eignet sich für Gruppenhaltung – Charakter und Sozialverhalten müssen passen
Das Prinzip: Zurück zur natürlichen Lebensweise
Offenstallhaltung bedeutet, Pferden das zu ermöglichen, was sie in freier Natur täglich leben: Bewegung nach eigenem Ermessen, kontinuierlicher Sozialkontakt und selbstbestimmte Futteraufnahme. Diese scheinbar einfache Idee ist in der Umsetzung jedoch alles andere als simpel.
Die Grundidee verstehen
Im Offenstall leben mehrere Pferde als Gruppe zusammen und haben rund um die Uhr Zugang zu verschiedenen Funktionsbereichen. Anders als in der Boxenhaltung werden die natürlichen Verhaltensweisen nicht unterdrückt, sondern bewusst gefördert: Das Pferd entscheidet selbst, wann es frisst, sich bewegt, ruht oder soziale Kontakte pflegt.
Diese Selbstbestimmung ist mehr als nur Komfort – sie ist essentiell für die psychische Gesundheit. Pferde, die ihre natürlichen Verhaltensmuster ausleben können, sind ausgeglichener, stressresistenter und oft auch körperlich gesünder.
Warum Offenstall funktioniert
Die Erfolge der Offenstallhaltung basieren auf der konsequenten Respektierung der evolutionären Prägung unserer Pferde. Durch eine durchdachte räumliche Verteilung von Ressourcen (Futter, Wasser, Schlafplatz) bewegen sich die Tiere automatisch deutlich mehr als in der Boxenhaltung, was allen Körpersystemen zugutekommt. Das Leben in der vertrauten Herde reduziert Angst und Unsicherheit erheblich, da die natürlichen sozialen Strukturen erhalten bleiben.
Die gesundheitlichen Vorteile sind beeindruckend: Bessere Durchblutung durch mehr Bewegung stärkt das Herz-Kreislauf-System, weniger Atemwegsprobleme durch permanent frische Luft verbessern die Lungenfunktion, und ein stabileres Immunsystem durch reduzierten Stress macht die Pferde widerstandsfähiger gegen Krankheiten. Besonders bemerkenswert ist, dass sich Stereotypien und andere Verhaltensstörungen oft zurückbilden oder sogar ganz verschwinden, wenn Pferde wieder ihrer Natur entsprechend leben können.
Mehr als nur ein großer Paddock
Ein erfolgreicher Offenstall entsteht nicht zufällig. Er ist das Ergebnis durchdachter Planung, die sowohl die Bedürfnisse der Pferde als auch die praktischen Anforderungen der Bewirtschaftung berücksichtigt. Es reicht nicht, einfach nur einen Zaun zu ziehen, eine Heuraufe aufzustellen und ein Weidezelt zu installieren. Das sind oft genau die Offenställe, wo es eben nicht funktioniert. Damit der Offenstall wirklich zum Wohlfühlstall für alle Beteiligten wird, sollte man ein paar Eckpunkte beachten.
Flächenbedarf und Dimensionierung
Die oft genannte Faustregel von 150-200 m² pro Pferd ist ein Minimum, nicht das Optimum. Diese Fläche bezieht sich auf den befestigten Bereich – zusätzliche Weideflächen für den Sommer kommen hinzu. Man rechnet üblicherweise etwas unterschiedlichem Flächenbedarf, je nach Gruppengröße:
- Kleine Gruppen (2-4 Pferde): 200-300 m² pro Pferd
- Mittlere Gruppen (5-8 Pferde): 150-200 m² pro Pferd
- Große Gruppen (ab 9 Pferde): 100-150 m² pro Pferd
Die Staffelung berücksichtigt, dass größere Gruppen die Fläche effizienter nutzen. Einige Aspekte werden jedoch bei dieser Betrachtung außer Acht gelassen: Es ist ein riesiger Unterschied, ob 10 Pferde einer Gruppe eine feste Gemeinschaft ist, die schon seit Jahren in dieser Konstellation zusammensteht, oder ob es Pferde in einem Einstellbetrieb sind, in dem ständiges Kommen und Gehen herrscht. Je häufiger Wechsel in der Gruppe stattfinden, umso größer wird der Platzbedarf, damit sich unverträgliche Pferde ausweichen können. Darüber hinaus macht es einen Unterschied, ob die Fläche als rechteckiger Paddock zur Verfügung steht oder als Paddock Trail mit langen Laufwegen, die den Abstand zwischen unverträglichen Pferden automatisch vergrößern. Studien zeigen, dass Platzmangel einer der häufigsten Stressfaktoren in ansonsten gut geführten Offenställen ist. Auch die Erfahrung zeigt: je mehr Platz, desto friedlicher die Gruppe.
Funktionsbereiche definieren
Ein gut geplanter Offenstall gliedert sich in verschiedene Bereiche mit spezifischen Funktionen:
- Fressbereich(e): Wettergeschützt und mit ausreichend Fressplätzen ausgestattet
- Ruhebereich(e): Ruhig gelegen, windgeschützt und mit weichem Untergrund
- Aktivbereich: Offene Flächen für Bewegung und Spiel, besonders wichtig für Jungpferde und Wallachgruppen
- Witterungsschutz: Überdacht, aber luftig und mit mehreren Zugängen – Windschutz ist meist wichtiger als Regenschutz
- Tränkbereich: Zentral gelegen und gut zugänglich
Bodengestaltung
Der Boden ist das wichtigste Element im Offenstall und muss verschiedene, teilweise widersprüchliche Anforderungen erfüllen. Er muss auch bei Nässe Trittsicherheit bieten, damit die Pferde sich gefahrlos bewegen können. Gleichzeitig ist eine gute Drainage für schnellen Wasserabfluss essentiell, um Staunässe und Matschbildung zu vermeiden. Trotz der notwendigen Festigkeit sollte der Boden an einigen Stellen Komfort für das Liegen der Pferde bieten und im Bereich der Laufwege durch angemessene Härte die Hufgesundheit fördern. Nicht zuletzt muss er hygienisch und einfach zu reinigen sein, um die Gesundheit der Herde zu gewährleisten. Ob man Paddockmatten verlegt oder Gummimatten, ob man Betonplatten oder Pflaster nutzt oder Teile mit Kies aufschüttet – es kommt immer auf die individuellen Gegebenheiten an, wie man den Boden optimal gestaltet. Was in der Regel nicht funktioniert, ist einfach „gar nichts“ zu machen – denn dann versinken die Pferde spätestens im zweiten Winter im Matsch.
Die Sache mit dem Matsch
Matsch ist der Feind jeder Offenstallhaltung, aber leider unvermeidlich. Die Kunst liegt darin, ihn zu minimieren und zu kanalisieren. Bewährte Strategien: Befestigung der Hauptlaufwege und rund um die Heuraufen, Drainage in kritischen Bereichen, Ableiten von Wasser hin zu Senken außerhalb des Paddocks oder temporäre Absperrungen bei extremem Wetter und alternative Aufenthaltsbereiche, z.B. aufgeschüttete Sandhügel. Wichtig: Nicht der ganze Offenstall muss befestigt sein – oft reichen strategisch platzierte befestigte Zonen und eine leichte Modulation des Geländes, die dafür sorgen, dass die Hauptlaufwege und Raufen etwas höher sind und dafür Senken oder Gräben entstehen, in welche das Wasser ablaufen und langsam versickern kann. Solche Gräben und Senken können zudem geschickt genutzt werden für das Anlegen von Hecken (beliebt zum Beknabbern und als Windschutz und Schattenspender) oder „Pferdeschwemmen“, die im Sommer Badespaß bieten und in der nassen Jahreszeit ausgezäunt werden können.
Verschiedene Offenstall-Konzepte
Offenstall ist nicht gleich Offenstall. Je nach Gegebenheiten und Anforderungen haben sich verschiedene Konzepte entwickelt.
Der klassische Offenstall
Ein großer, überdachter Unterstand mit angrenzenden Auslaufflächen bildet das Grundkonzept des klassischen Offenstalls. Diese Bauform ist einfach zu errichten und zu bewirtschaften, weshalb sie für die meisten Pferde gut geeignet ist. Die vergleichsweise günstigen Kosten und das unkomplizierte Management machen sie besonders für Einsteiger attraktiv. Allerdings bietet diese Variante wenig Differenzierung, was bei größeren Gruppen zu Rangordnungskonflikten führen kann.
Der Mehrraumstall
Verschiedene überdachte Bereiche, die durch Ausläufe miteinander verbunden sind, charakterisieren den Mehrraumstall. Diese Bauform ermöglicht deutlich mehr Differenzierung und schafft Rückzugsmöglichkeiten für rangniedere oder ängstliche Pferde. Konflikte werden dadurch seltener, und verschiedene Pferdetypen können das Angebot besser nutzen. Die höheren Baukosten und das komplexere Management sind jedoch der Preis für diese Vorteile. Diese Form ist vor allem geeignet für Einstellbetriebe, die auf große Gruppen setzen für bessere Wirtschaftlichkeit. Man kann in solchen Ställen beobachten, dass sich mehrere „Kleinherden“ bilden, die unterschiedliche Bereiche überwiegend nutzen, sodass Konflikte reduziert werden.
Der saisonale Offenstall
In klimatisch schwierigen Regionen hat sich die saisonale Nutzung bewährt, bei der zwischen Offenstall im Sommer und Box mit Paddock im Winter gewechselt wird. Diese Flexibilität je nach Wetterbedingungen ist ein großer Vorteil, und eine schrittweise Gewöhnung wird möglich, um auch Pferde, die ihr Leben in Boxen verbracht haben, an das Offenstall Leben zu gewöhnen. Der häufige Wechsel zwischen den Systemen bedeutet jedoch Umstellungsstress für die Pferde und einen höheren Aufwand für den Betreiber, weil zwei Stallformen vorgehalten werden müssen, von denen immer eine ein halbes Jahr lang leer steht. Besonders geeignet ist diese Form in Regionen, wo Bauvorschriften die Befestigung des Paddocks verhindern und lehmige, wenig durchlässige Böden die Pferde im Winter im Matsch versinken lassen würden. Auch viele alte Pferde profitieren von einer solchen Stallform: sie können oft im Sommer noch gut draußen übernachten, schätzen aber ihren trockenen, geschützten Schlafplatz gegenüber dem feucht-zugigen Offenstall im Winter.

Herdenmanagement: Die Kunst der Gruppenzusammenstellung
Das Herdenmanagement ist die Königsdisziplin der Offenstallhaltung. Selbst der beste bauliche Standard nutzt nichts, wenn die Gruppe nicht harmoniert. Von der Anzahl der Pferde über Alter, Ernährungsbedürfnisse bis hin zum Geschlecht und natürlich Charakter muss man viele Faktoren mit einbeziehen, um die passende Gruppe zusammenzustellen. Hier entsteht dann auch oft ein Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Pferde und der Wirtschaftlichkeit des Stalls. Mehrere Offenstallplätze unvermietet zu lassen, nur weil man gerade nicht die „passenden“ Interessenten bekommt, ist ein Verlustgeschäft für den Stallbetreiber – denn die Kosten für Personal etc. laufen ja weiter.
Die richtige Gruppengröße
- 2-3 Pferde: Oft zu klein für stabile Herdenstrukturen, ein Pferd kann schnell isoliert werden und es gibt Stress, wenn ein oder zwei Pferde zum Reiten aus der Gruppe genommen werden.
- 4-6 Pferde: Optimal für Anfänger, überschaubar und meist harmonisch, sofern die Pferde gut zusammenpassen
- 7-12 Pferde: Natürliche Herdengröße, erfordert aber mehr Erfahrung und natürlich auch mehr Platz
- Über 12 Pferde: Nur für sehr erfahrene Betreiber, Tendenz zu Untergruppen
Auswahlkriterien für die Herdenzusammensetzung
Noch bevor ein Pferd einzieht, sollte man sich Gedanken machen, für welche Pferde der Offenstall gedacht ist. Das beugt späteren Konflikten vor. Wenn man drei Jungpferde zusammenstellt und der vierte Mitbewohner dann ein 30jähriger Senior wird, ist Ärger schon vorprogrammiert. Dasselbe gilt, wenn man den leichtfuttrigen Haflinger mit der Hufrehevorgeschichte mit dem im Turniersport eingesetzten 5jährigen Vollblüter in eine Gruppe stecken möchte: man wird bei der Fütterung nie eine Lösung finden, die beiden Pferden gerecht wird. Daher muss ein Plan her, wen man wirklich als Bewohner in seinem Offenstall haben möchte:
- Größenunterschiede: Maximal 20 cm Stockmaß-Differenz, um Verletzungsrisiko zu minimieren und auch Fütterungs-Probleme auszuschließen (Shettys sind nunmal leichtfuttriger als Warmblüter)
- Altersstruktur: Jungpferde mit Senioren zusammenzustellen bringt meist Stress. Das heißt nicht, dass alle Pferde genau dasselbe Alter haben müssen. Aber „Senioren“-Gruppen mit den über 18jährigen und Youngster-Gruppen mit allem zwischen 1 und 18 funktionieren meist besser als eine komplette Durchmischung – sowohl was den Spiel- und Bewegungsbedarf angeht, als auch die Fütterung.
- Geschlechterverteilung: Reine Wallachgruppen und Stutengruppen mit nur einem souveränen Wallach sind meist unkomplizierter als gemischte Gruppen oder reine Stutenherden. Das kommt einfach dem natürlichen Gruppengefüge von Wildpferdeherden näher, wo der Hengst mit seinen Stuten und dem Nachwuchs in einer Herde zusammenlebt und die ganzen Junghengste und Althengste ohne Stuten in „Junggesellengruppen“.
- Charaktereigenschaften: Ein dominantes Pferd pro Gruppe reicht – mehrere „Chefs“ führen zu Dauerkonflikten. Allerdings sollte man auch wirklich darauf achten, ein dominantes Pferd in der Gruppe zu haben. Denn die meisten Pferde wollen gar keinen Chef-Job machen. Wenn der Herde Führung fehlt, sorgt das für Stress und ständige Unruhe.
- Gesundheitszustand: Kranke oder verletzte Pferde gehören temporär nicht in die Hauptgruppe, für solche Fälle sollte immer ein separater Bereich eingeplant werden.
Integration neuer Pferde
Die Eingewöhnung neuer Herdenmitglieder ist ein kritischer Prozess, der Zeit und Aufmerksamkeit erfordert.
In der ersten Phase, die üblicherweise ein bis zwei Wochen dauert, sollte Sichtkontakt bestehen, aber ohne direkten Kontakt. Optimal ist ein stabiler Zaun, der einen Teil des Auslaufs und Unterstands abtrennt für das neue Pferd. Es hat sich bewährt, eine Heuraufe so zu platzieren, dass die Pferde der bestehenden Gruppe zusammen mit dem Neuankömmling aus derselben Raufe fressen können. Essen ist eine soziale Angelegenheit und knüpft Bindungen – das ist nicht nur bei Menschen der Fall.
Dann folgt die zweite Phase, wo das neue Pferd zur Gruppe kommt. Hier gibt es unterschiedliche Strategien: Einige Ställe öffnen den Zaun, wenn bisher alles friedlich war, und lassen das neue Pferd einfach dazu. Andere machen Zusammenführungen grundsätzlich nur auf der Weide, weil hier mehr Platz, Ablenkung durch frisches Gras und weniger Unfallgefahr besteht. Wieder andere bringen die Pferde der bestehenden Gruppe einen nach dem anderen auf „neutralem“ Gelände mit dem neuen Pferd zusammen. Haben sich dann alle mal 1:1 kennengelernt, wird der Zaun geöffnet und alle kommen zusammen. Welche Methode die beste ist, muss man im Einzelfall anhand der Stallgegebenheiten und auch am Verhalten der Gruppe und des Neulings beurteilen.
Es folgt die dritte Phase, in der alle zusammen in einer Gruppe stehen, aber man das Ganze noch unter engmaschiger Beobachtung hält um bei ausufernden Konflikten schnell eingreifen zu können. Vom ersten Beschnuppern über den Zaun bis zur vollständigen harmonischen Gruppe kann es zwischen 2 Wochen und einem halben Jahr dauern – und manche Pferde lassen sich nie integrieren. Dann muss man schauen, ob der Neuling in eine andere Gruppe kann, wo es besser klappt, oder vielleicht doch in einer Box-mit-Auslauf-Haltung besser aufgehoben ist.
Wer bei der Integration Zeit sparen will, zahlt meist mit Stress und Verletzungen.
Fütterung im Offenstall
Die Fütterung in der Gruppenhaltung erfordert besondere Aufmerksamkeit, um sowohl die natürlichen Bedürfnisse zu erfüllen als auch Konflikte zu vermeiden.
Raufutterversorgung optimieren
Die Basis einer funktionierenden Gruppenfütterung sind mehrere Futterstellen, wobei mindestens eine mehr vorhanden sein sollte als Pferde in der Gruppe leben. Als Faustregel gilt zwar die „10% mehr Fressplätze als Pferde in der Gruppe“ Regel, aber die Praxis zeigt, dass das nur für sehr friedliche Gruppen gilt. Hat man Gruppen mit viel Wechsel oder solche, die insgesamt nicht harmonisch sind, muss man bis zu doppelt so viele Raufutterplätze rechnen wie Pferde in der Gruppe stehen. Jede Futterstelle sollte von mehreren Seiten erreichbar sein, damit rangniedere Pferde nicht in Sackgassen gedrängt werden können.
Geschickt genutzt werden können auch Qualitätsunterschiede im Raufutter: Während energiereiches Heu „rationiert“ wird (z.B. über engmaschige Heunetze, automatisch schließende Raufen oder indem es nur in kleinen Mengen in die am weitesten von allen anderen Ressourcen entfernte Raufe gefüllt wird), können alle Pferde immer unbegrenzt mageres Heu aus Netzen zur Verfügung haben. Heunetze, Heu-Stroh-Mischung im Heunetz oder automatische Systeme helfen dabei, die Aufnahme zu verlangsamen, die Bewegung zu steigern und das natürliche Fressverhalten zu ermöglichen.
Kraftfutter individuell dosieren
Kraftfutter in der Gruppe zu verabreichen ist eine der größten Herausforderungen, aber durchaus lösbar. Fressständer, kleine Extra-Paddocks oder Futterbeutel schaffen Ruhe während der Kraftfuttergabe. Entscheidend ist, dass alle Pferde gleichzeitig ihr Kraftfutter bekommen, damit kein Futterneid entsteht. Der Abstand zwischen den Fressplätzen muss bei Fütterung aus Futterbeuteln ausreichend groß sein, und besonders schnelle Fresser sollten immer als letzte bekommen, sodass sie langsamere Pferde nicht drangsalieren.
Typische Gesundheitsrisiken
Verletzungen durch Rangkämpfe: Vorbeugen durch gutes Herdenmanagement, oberflächliche „Lackkratzer“, wie sie beim Spielen entstehen, sind meist harmlos und heilen gut ab.
Parasitenbelastung: Kontrollieren durch gutes Weidemanagement und Kotproben mit selektiver Entwurmung, vor allem bevor neue Pferde in die Gruppe kommen.
Hufprobleme: Minimieren durch gute Bodenverhältnisse und regelmäßige Pflege
Übergewicht: Überwachen leichtfuttriger Pferde durch regelmäßige Gewichtskontrolle (Pferdewaage oder Sanoanimal App) und angepasste Fütterung: Mageres Raufutter immer und für alle Pferde und ggf. Zufütterung für schwerfuttrige Kandidaten.

Vor- und Nachteile der Offenstallhaltung aus verschiedenen Perspektiven
Aus Sicht des Pferdes
Für das Pferd bedeutet Offenstallhaltung in erster Linie die Möglichkeit, natürliche Verhaltensweisen ausleben zu können. Die kontinuierlichen sozialen Kontakte reduzieren Stress erheblich, da das Herdentier Pferd nie isoliert ist. Bewegungsfreiheit fördert die körperliche Gesundheit auf allen Ebenen, vom Herz-Kreislauf-System über die Verdauung und Atemwege bis zur Hufgesundheit. Frische Luft und natürliche Lichtzyklen stabilisieren den Biorhythmus und sorgen für ausgeglichenere Pferde.
Auf der anderen Seite können Verletzungen durch Rangkämpfe auftreten, besonders wenn die Gruppenzusammensetzung nicht stimmt oder häufige Wechsel stattfinden. Wettereinflüsse können für empfindliche Pferde belastend sein, und Futterkonkurrenz kann bei ungenügend Fressplätzen Stress erzeugen. Besonders problematisch wird es, wenn ungeeignete Gruppenzusammenstellungen zu systematischem Mobbing führen. Es braucht eine gute Beobachtung, um festzustellen, ob eine Gruppe harmonisch ist oder permanent latenter Stress herrscht oder einzelne Pferde mit der gesamten Offenstallsituation überfordert sind, weil sie beispielsweise ihr Leben in der Box verbracht haben und jetzt in Rente auf einmal in den Offenstall umgestellt werden.
Aus guten Gründen treten stressbedingte Verhaltensauffälligkeiten wie „Narkolepsie“ (also schlafmangelbedingtes Zusammenbrechen beim Dösen) besonders häufig bei Offenstallpferden auf. Kameras im Stall helfen zu beurteilen, ob alle Pferde ausreichend an Futter, Wasser und zum Schlafen kommen, auch wenn man gerade nicht im Stall ist. Falls nicht, muss das Management optimiert werden.
Aus Sicht des Besitzers
Pferdebesitzer profitieren meist von gesünderen und ausgeglicheneren Pferden, was sich langfristig in geringeren Tierarztkosten durch weniger haltungsbedingte Probleme niederschlägt. Die verbesserte Hufgesundheit kann Kosten für Beschläge und Hufbearbeitung reduzieren, und die Pferde sind oft umgänglicher und stressresistenter im Umgang.
Allerdings bedeutet Offenstallhaltung auch weniger Kontrolle über das individuelle Pferd, was manche Besitzer verunsichert. Die Trainingsplanung wird schwieriger, da das Pferd nicht jederzeit sofort verfügbar ist. Gerade in der nassen Jahreszeit wird das Reiten oft schwierig, wenn die Pferde vom Regen pitschnass oder vom Wälzen im Schlamm schmutzverkrustet sind. Nicht jeder ist bereit, an solchen Tagen auf Bodenarbeit oder andere Trainingsmethoden auszuweichen. Darüber hinaus wird auch das Holen vom Auslauf oft zu einer Belastungsprobe für die Beziehung, wenn das Pferd gerade meint, seine Gruppe gerade nicht verlassen zu können oder zu wollen. Verletzungsrisiken durch Rangkämpfe bereiten manchen Besitzern Sorgen, und die Abhängigkeit von der Qualität des Herden- und Futtermanagements kann frustrierend sein, wenn der Stallbetreiber nicht die nötige Erfahrung mitbringt.
Aus Sicht des Stallbetreibers
Für den Stallbetreiber sind die geringeren Baukosten pro Pferdeplatz und die oft reduzierte tägliche Stallarbeit im Verhältnis zu einem Stall mit Boxen und Tagespaddock attraktiv. Die effizientere Flächennutzung ermöglicht höhere Belegungszahlen, und bei guter Auslastung sind die Betriebskosten meist geringer als bei Boxenhaltung.
Die Kehrseite sind höhere Anforderungen an Fachwissen und Erfahrung, die nicht jeder Stallbetreiber mitbringt. Das Management wird bei Problemen deutlich komplexer, da immer die ganze Gruppe betroffen ist und man es ohnehin nie allen Einstellern recht machen kann. Die Wetterabhängigkeit der Bodenverhältnisse kann zu erheblichen Problemen führen, vor allem wenn man keine Baugenehmigung für Befestigung der Ausläufe bekommt und man entsprechend Handschubkarren durch die Pampe schieben muss. Die Vermarktung an unerfahrene Pferdebesitzer ist oft schwieriger, da viele immer noch Vorbehalte gegen Gruppenhaltung haben.
Wirtschaftlichkeit: Rechnet sich Offenstallhaltung?
Die Investitionskosten für einen einfachen Offenstall liegen meist bei 2.000-4.000 Euro pro Pferdeplatz, wobei die genauen Kosten natürlich abhängen von gewählten Materialien, Bebauungsplänen und vielen weiteren Faktoren. Aber das kann als erster Richtwert gelten, vor allem wenn man plant, einen Offenstall in Haltergemeinschaft auf der Wiese zu errichten. Möchte man einen komfortablen Mehrraumstall, dann sprechen wir schon über 4.000-8.000 Euro pro Pferdeplatz und wenn man einen Luxury-Offenstall mit Extras wie Pferdesolarium, überdachtem Putzplatz, Waschplatz, beheizter Sattelkammer, Aufenthaltsraum etc. plant, dann sollte man eher mit 8.000-15.000 Euro pro Pferdeplatz rechnen.
Die große Spanne ergibt sich jeweils aus Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Drainage-Aufwand, Überdachung und technischer Ausstattung.
Betriebskosten
- Futter: Oft geringer als bei Boxenhaltung: einzelne Heunetze für Boxen stopfen ist zeitintensiv, lose angeboten wird das Futter unter die Einstreu gerührt und verschmutzt. Durch Nutzung von einem Ballenheunetz für die ganze Gruppe ist der Zeitaufwand gering und der Heuverlust wird auf meist nur noch ca. 10% reduziert.
- Einstreu: Entfällt oder deutlich reduziert in den meisten Ställen, da Pferde gerne draußen in Sandkuhlen oder auf Sandhügeln schlafen und nicht in geschlossenen Räumen. Viele Ställe haben Gummimatten im Unterstand als Isolierung gegen Bodenkälte für den Winter und verzichten auf Einstreu, weil sie dazu führt, dass der Unterstand nur als „Pferdeklo“ benutzt wird.
- Arbeitszeit: Weniger tägliche Stallarbeit als bei einem Boxenstall mit Tagespaddock, aber deutlich mehr Aufwand für das Herdenmanagement und Heuanalysen, um die geeignete Qualität zu finden
Preisgestaltung
Offenstallplätze werden meist 20-40% günstiger angeboten als vergleichbare Boxenplätze. Diese Preisdifferenz reflektiert sowohl die geringeren Baukosten als auch die teilweise geringere Nachfrage.
Typische Anfängerfehler vermeiden
Planungsfehler vermeiden
Zu wenig Platz führt unweigerlich zu Dauerstress und Konflikten in der Herde, da die Pferde sich nicht aus dem Weg gehen können. Falsche Bodengestaltung rächt sich durch anhaltende Matschprobleme und daraus resultierende Huferkrankungen. Unzureichende Drainage macht selbst die beste Anlage unbrauchbar, da Staunässe die Nutzung unmöglich und das Abmisten zur Qual macht. Architektonische Sackgassen erzeugen permanenten Stress bei rangniederen Pferden, die sich nicht sicher fühlen können.
Management-Fehler vermeiden
Eine ungeeignete Gruppenzusammenstellung kann alle anderen Bemühungen zunichtemachen – harmoniert die Herde nicht, funktioniert das ganze System nicht. Zu schnelle Integration neuer Pferde führt regelmäßig zu Verletzungen und Traumatisierung, die das Vertrauen nachhaltig erschüttern. Unzureichende Fütterung verstärkt Aggressionen durch Futterneid, und mangelnde Beobachtung führt dazu, dass Probleme zu spät erkannt werden und eskalieren.
Freiheit braucht Verantwortung
Offenstallhaltung ist kein Allheilmittel, sondern eine anspruchsvolle Form der Pferdehaltung, die viel Fachwissen und Engagement erfordert. Richtig umgesetzt bietet sie Pferden die Möglichkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben und kann zu deutlich besserer Gesundheit und Lebensqualität führen.
Der Erfolg hängt maßgeblich von drei Faktoren ab: der durchdachten baulichen Gestaltung, dem kompetenten Herdenmanagement und der kontinuierlichen Betreuung. Wer bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen und die nötige Zeit in die Einarbeitung zu investieren, wird mit zufriedeneren, gesünderen und ausgeglicheneren Pferden belohnt.
Offenstallhaltung ist damit mehr als nur eine Haltungsform – sie ist eine Philosophie, die das Pferd als das respektiert, was es ist: ein soziales Herdentier mit dem Bedürfnis nach den „3F“ – Freunden, Futter und Freiheit.
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