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Warum Waage, BCS und Bauchgefühl oft täuschen

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Gewicht allein ist kein verlässlicher Indikator für Über- oder Untergewicht.
  • Tagesform, Wasserhaushalt und Füllstand des Verdauungstrakts können ± 20–40 kg Unterschied ausmachen.
  • Pferdetypen unterscheiden sich stark: Schlank heißt nicht automatisch „zu dünn“, kompakt nicht automatisch „fett“.
  • Der Body Condition Score (BCS) liefert nur bei Warmblutpferde-Typen verlässliche Ergebnisse.
  • Die Sanoanimal App unterscheidet Pferdetypen und kann Fett, Muskulatur und Lymphe voneinander abgrenzen.
  • Verlaufskontrollen sind entscheidend für fundierte Management-Entscheidungen.

Gewicht allein sagt wenig aus

Ein Blick auf die Waage kann beim Pferd äußerst irreführend sein. War die Pferdewaage letztes Mal im Spätherbst im Stall, als die Weiden abgefressen waren, ist dasselbe Pferd im Frühjahr, wo es gerade nach vier Stunden Weidezeit von der saftigen Wiese kommt, deutlich schwerer als noch vor einem halben Jahr – obwohl es genau gleich aussieht. Wie kann das sein?

Schon der Füllungsgrad von Darm und Blase, der Wasserhaushalt oder ein anstehender Fellwechsel können das Gewicht um 20 bis 40 Kilogramm schwanken lassen – ohne dass sich der Körperzustand tatsächlich verändert hat. Für das Management ist die Kilozahl ein nützlicher Richtwert, vor allem wenn man das Pferd immer zur selben Jahreszeit wiegt, aber nicht als alleinige Grundlage für die Beurteilung des Ernährungszustands geeignet.

Pferdetypen im Blick behalten

Vom schlanken Vollblut bis zum massigen Kaltblut ist die Bandbreite der Pferdekörperformen groß. Vollblüter wirken bei optimalem Zustand meist sehr schlank: lange, flache Muskulatur, wenig Halskamm. Barockpferde oder Kaltblüter bringen naturgemäß mehr Masse und Rundungen mit, ebenso wie die meisten Westernpferde. Ponytypen neigen dazu, einen sehr runden Rippenbogen zu haben. Das lässt sie oft „kugelig“ aussehen, ohne dass sie übergewichtig sein müssen.

„Kompakt“ sollte also nicht mit „fett“ verwechselt werden – ebenso wenig ist „schlank“ gleichbedeutend mit „zu dünn“. Ein Tnker wird naturgemäß immer „mehr“ aussehen und auch mehr Kilos auf die Waage bringen, als ein gleich großer Araber. Entscheidend ist, wo sich „zu viel“ ablagert und ob sich der Zustand im Verlauf verändert.

Body Condition Score und seine Vorteile und Grenzen

Der Body Condition Score (BCS) wurde entwickelt, weil die Nutzung der Waage bei Pferden eben nur bedingt funktioniert. Er bewertet stattdessen Einlagerungen an typischen Stellen wie Halskamm, Übergang von Schulter zu Brust, Rippen, Lendenbereich und Schweifansatz. Das Ziel ist, dass Rippen gut fühlbar, aber nicht sichtbar sind, Übergänge weich wirken und keine ausgeprägten Fettpolster zu finden sind.

Allerdings hat der BCS zwei Schwächen: Er wirft Muskulatur, Fett und Lymphe mehr oder weniger in einen Topf und er beachtet den Pferdetyp nicht. Daher liefert der BCS im Wesentlichen nur bei Warmblutpferden wirklich zuverlässige Ergebnisse. Bei anderen Rassen kann er zu deutlichen Fehleinschätzungen führen.

Die Sanoanimal App – verlässlicher als Waage und BCS

Die kostenlose Sanoanimal App führt Schritt für Schritt durch die Beurteilung des Pferdes. Sie berücksichtigt den Pferdetyp, unterscheidet Muskulatur, Fett und Lymphe und speichert die Ergebnisse für den Verlauf. So lässt sich z. B. erkennen, ob eine Gewichtszunahme auf erwünschten Muskelaufbau, oder aber auf Fettanlagerung wegen reduzierten Trainings oder auf lymphatische Einlagerungen zurückgeht – etwa im Fellwechsel.

Praktische Tipps

  • Nicht auf die Kilozahl fixieren – stattdessen regelmäßig Fotos aus denselben Perspektiven machen und die App nutzen. Das ermöglicht es, Veränderungen besser und früher zu sehen.
  • Den Pferdetyp berücksichtigen: Ein kräftiger Hals kann rassetypisch oder sogar geschlechtstypisch sein, beispielsweise bei Hengsten. Ungewöhnliche „Polster“, ein harter Halskamm oder eine angelaufene Schlauchtasche sind jedoch Warnsignale.
  • Rippen-Check: Rippen müssen jederzeit leicht fühlbar sein. Bei der Biegung des Pferdes sollten sie auf der Außenseite auch sichtbar werden. Hat man ein schweinbar „rippenloses“ Pferd, liegt wahrscheinlich Übergewicht vor – ob durch Fett oder Lymphe muss man im nächsten Schritt bestimmen.

Bessere Entscheidungen für Fütterung, Training und Management

Wer den Körperzustand präzise einschätzt, kann Fütterung, Trainingsplan und Haltung gezielt anpassen. Die Kombination aus Typbewertung, Unterscheidung von Muskel/Fett/Lymphe und Verlaufsdokumentation sorgen dafür, dass man einen passenden Fütterungs- und ggf. Therapie- und Trainingsplan aufstellen kann, der zu nachhaltiger Gewichtsregulation führt. Wer unsicher ist, kann über das Sanoanimal Therapeutennetzwerk eine neutrale Einschätzung vom Profi einholen – inklusive Tipps für passende Futter- oder Trainingsanpassungen.

Team Sanoanimal