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Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Die Körperhaltung spricht Bände – Aufrechte, entspannte Haltung signalisiert Kompetenz und Ruhe
  • Energie bewusst steuern – Die richtige Balance zwischen Präsenz und Gelassenheit finden
  • Atmung als Anker nutzen – Tiefe Bauchatmung beruhigt Mensch und Pferd gleichermaßen
  • Gedanken und Erwartungen klären – Negative Spiralen durchbrechen und realistische Ziele setzen
  • Rituale schaffen Fokus – Bewusste Vorbereitungsroutinen helfen beim mentalen Umschalten

Die mentale Verfassung des Menschen ist der oft unterschätzte Schlüssel zum Erfolg in der Bodenarbeit mit Pferden. Pferde sind Meister im Lesen von Körpersprache und Energie – sie spüren sofort, ob jemand entspannt, gestresst, unsicher oder selbstbewusst ist. Eine bewusste mentale Vorbereitung kann den Unterschied zwischen frustrierenden und harmonischen Trainingseinheiten ausmachen.

Die Macht der Körperhaltung

Die Körperhaltung ist das erste Signal, das das Pferd empfängt, noch bevor ein Wort gesprochen oder eine bewusste Bewegung gemacht wird. Pferde sind Muskelleser, d.h. sie sehen kleinste Anspannunge. Eine aufrechte, aber entspannte Haltung vermittelt Kompetenz und Ruhe. Lockere Schultern, ein gerader Kopf und ein stabiler, aber nicht starrer Stand sind ideal.

Sich klein zu machen oder die Schultern hochzuziehen signalisiert Unsicherheit oder Anspannung. Gleichzeitig sollte der Mensch aber auch nicht übertrieben breitbeinig oder aggressiv auftreten, da dies das Pferd verunsichern oder provozieren kann. Die ideale Körperhaltung ist die eines ruhigen, selbstbewussten Menschen, der weiß, was er tut, aber dabei entspannt bleibt.

Besonders wichtig ist die Haltung der Arme und Hände. Hängende, entspannte Arme signalisieren Gelassenheit, während verschränkte Arme oder verkrampfte Hände Stress übertragen. Auch die Handhaltung am Führstrick ist entscheidend – ein zu fester Griff überträgt Nervosität direkt auf das Pferd, während zu lockere Hände Unsicherheit vermitteln können.

Energie bewusst regulieren

Pferde sind extrem sensibel für die Energie, die Menschen ausstrahlen. Zu viel Energie kann sie nervös machen, zu wenig Energie langweilt sie oder lässt sie die Führungsrolle übernehmen. Die Kunst liegt darin, die richtige Energiebalance für jede Situation und jedes Pferd zu finden.

Die Beobachtung des Pferdes ist dabei essentiell: Ein ruhiges, entspanntes Pferd benötigt möglicherweise etwas mehr Energie, um motiviert zu bleiben. Ein nervöses oder temperamentvolles Pferd hingegen profitiert von bewusst reduzierter, beruhigender Ausstrahlung. Die Fähigkeit, die eigene Energie wie einen Dimmer zu regulieren – mal mehr, mal weniger – ist dabei zentral.

Diese Energieregulation beginnt bereits im Inneren. Wer gestresst oder gehetzt zum Pferd kommt, sollte sich bewusst einen Moment Zeit nehmen, um zur Ruhe zu kommen. Tiefes Atmen, Entspannen der Muskeln und mentales Einstellen auf die kommende Zeit mit dem Pferd können den gesamten Verlauf der Trainingseinheit positiv beeinflussen.

Die Kraft der richtigen Atmung

Die Atmung ist eines der mächtigsten Werkzeuge zur Selbstregulation und beeinflusst direkt die gesamte Ausstrahlung. Flache Brustatmung signalisiert Stress und Anspannung, tiefe Bauchatmung hingegen Ruhe und Kontrolle. Pferde nehmen diese Unterschiede sehr genau wahr und reagieren entsprechend darauf.

Bewusste Bauchatmung, besonders in herausfordernden Situationen, ist empfehlenswert. Eine Hand auf dem Bauch kann helfen zu spüren, wie er sich beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Diese Art der Atmung aktiviert das parasympathische Nervensystem und löst automatisch eine Entspannungsreaktion aus – nicht nur beim Menschen, sondern durch die veränderte Ausstrahlung auch beim Pferd.

Die Atmung kann auch als Kommunikationsmittel genutzt werden. Ein bewusstes, hörbares Ausatmen kann dem Pferd signalisieren, dass es sich entspannen soll. Umgekehrt kann eine bewusst verstärkte Einatmung die Energie erhöhen und dem Pferd mehr Aufmerksamkeit signalisieren.

Gedanken und Erwartungen klären

Negative Gedankenmuster können sich selbst erfüllen und zu einer Abwärtsspirale in der Bodenarbeit führen. Wer mit der Erwartung zum Pferd geht, dass es heute wieder nicht funktionieren wird, überträgt diese negative Energie unbewusst. Die bewusste Arbeit daran, destruktive Gedanken zu erkennen und durch konstruktive zu ersetzen, ist wichtig.

Für jede Trainingseinheit sollten realistische Ziele gesetzt werden. Überforderung führt zu Frustration, Unterforderung zu Langeweile. Ein gut gesetztes Ziel ist erreichbar, aber dennoch herausfordernd genug, um beide Partner zu motivieren. Dabei ist zu bedenken, dass jeder kleine Fortschritt ein Erfolg ist und dass Rückschritte zum Lernprozess gehören.

Eine positive innere Haltung gegenüber dem Pferd ist essentiell. Das Pferd als Partner zu sehen, nicht als Gegner oder Objekt, und seine Eigenarten und Grenzen zu respektieren, aber dabei klar in den Anforderungen zu bleiben – diese innere Haltung des respektvollen Miteinanders überträgt sich direkt auf die Ausstrahlung und damit auf die Qualität der Kommunikation.

Konzentration und Präsenz entwickeln

Pferde leben im Moment und erwarten dasselbe von ihren menschlichen Partnern. Wenn die Gedanken beim nächsten Termin, beim letzten Konflikt oder bei anderen Sorgen sind, kann nie eine tiefe Verbindung zum Pferd aufgebaut werden. Die Fähigkeit, bewusst im Hier und Jetzt zu sein, muss entwickelt werden. Auch das Handy darf gerne auf lautlos geschaltet werden, um eine Ablenkung zu vermeiden.

Die Zeit mit dem Pferd kann als Meditation genutzt werden. Die vollständige Konzentration auf das, was gerade geschieht – die Bewegungen des Pferdes, seine Reaktionen, die Qualität seiner Aufmerksamkeit – ist nicht nur für das Training wertvoll, sondern auch eine Quelle der Entspannung und des inneren Friedens.

Wenn die Gedanken abschweifen, sollte die Aufmerksamkeit sanft zurück zum gegenwärtigen Moment gebracht werden. Das Beobachten der Pferdebewegungen, das Spüren des Stricks in der Hand oder das bewusste Wahrnehmen der eigenen Schritte können als Anker dienen, um in der Gegenwart verankert zu bleiben.

Rituale zur mentalen Vorbereitung

Persönliche Rituale können helfen, sich mental auf die Arbeit mit dem Pferd einzustimmen. Das kann ein bewusster Gang zum Pferd sein, bei dem von den Gedanken des Alltags gelöst wird. Oder ein Moment der stillen Begrüßung, in dem Kontakt zum Pferd aufgenommen wird und sich beide aufeinander einstimmen.

Manche Menschen nutzen kurze Entspannungsübungen oder mentale Visualisierungen, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Die Vorstellung, wie die Trainingseinheit harmonisch und erfolgreich verlaufen wird, programmiert das Unterbewusstsein auf Erfolg und hilft, mit der richtigen inneren Haltung zu starten.

Auch nach der Trainingseinheit können Rituale hilfreich sein. Ein bewusstes Reflektieren über das Erlebte, ein dankbarer Moment mit dem Pferd oder einfach ein paar tiefe Atemzüge helfen dabei, die positiven Erfahrungen zu verankern und eventuellen Frust konstruktiv zu verarbeiten.

Mann streichelt Pferd
Das Mindset ist bei jeder Arbeit mit Pferden wichtig, Vorbereitung und Rituale können dabei helfen in den richtigen State of Mind zu kommen © Adobe Stock / Chalabala

Mit Rückschlägen umgehen

Nicht jede Trainingseinheit verläuft wie geplant, aber das ist völlig normal. Wichtig ist, wie mit Rückschlägen umgegangen wird. Frustration und Ärger übertragen sich sofort auf das Pferd und verschlechtern die Situation nur weiter. Entscheidend ist, zu erkennen, wann es Zeit ist, eine Pause zu machen oder die Einheit zu beenden. Wenn gar nichts klappt, ist es besser aufzuhören und am nächsten Tag wieder neu zu beginnen ohne an den Misserfolg vom Vortag zu denken.

Schwierigkeiten sollten als Lernchancen gesehen werden, nicht als Versagen. Jedes Problem, das auftaucht, zeigt einen Bereich auf, an dem gearbeitet werden kann. Diese lösungsorientierte Denkweise hilft, auch in herausfordernden Situationen konstruktiv zu bleiben und die positive Ausstrahlung zu bewahren.

Strategien für den Umgang mit Stress während des Trainings sollten entwickelt werden. Das können Atemtechniken sein, mentale Stoppsignale oder auch physische Entspannungsübungen. Je besser die Selbstregulation funktioniert, desto stabiler wird die Führungsqualität und desto mehr Vertrauen wird das Pferd entwickeln.

Selbstreflexion als Schlüssel zum Erfolg

Ehrliche Selbstreflexion ist ein wesentlicher Bestandteil der mentalen Vorbereitung. Die Beobachtung des eigenen Verhaltens während der Bodenarbeit ist wichtig: Wie wird auf unerwartete Situationen reagiert? Wann entsteht Ungeduld oder Unsicherheit? Welche Verhaltensweisen führen zu positiven, welche zu negativen Reaktionen beim Pferd?

Ein Trainingstagebuch kann helfen, nicht nur die Fortschritte des Pferdes, sondern auch die eigene Entwicklung festzuhalten. Die Notiz der eigenen Verfassung beim Training und wie sich das auf den Verlauf ausgewirkt hat, ermöglicht bewusste Beobachtung. Diese hilft dabei, Muster zu erkennen und gezielt an der mentalen Vorbereitung zu arbeiten.

Fazit – Der Mensch als Führungsperson

In der Bodenarbeit trägt der Mensch die Verantwortung für die Qualität der Kommunikation als Führungsperson. Das Pferd reagiert auf das, was ausgestrahlt wird, nicht auf das, was vermittelt werden soll. Eine bewusste mentale Vorbereitung ist daher nicht nur hilfreich, sondern essentiell für erfolgreiche Bodenarbeit.

Die Entwicklung mentaler Stärke und Ausgeglichenheit ist ein lebenslanger Prozess. Geduld mit sich selbst während des Lernens, die Ausstrahlung bewusst zu steuern, ist wichtig. Die Investition in die eigene mentale Verfassung zahlt sich nicht nur in besserer Bodenarbeit aus, sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens mit Pferden – und darüber hinaus.

Elke Malenke
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