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Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Vertrauen schaffen steht an erster Stelle – Ohne Vertrauensbasis ist erfolgreiche Bodenarbeit unmöglich
  • Grundsignale systematisch aufbauen – Halt, Vorwärts und Rückwärts bilden das Fundament aller Übungen
  • Timing ist alles – Der richtige Moment für Lob und Korrektur entscheidet über den Lernerfolg
  • Kleine Schritte führen zum Ziel – Überforderung zerstört Motivation und Vertrauen
  • Jedes Pferd lernt anders – Individuelle Herangehensweise je nach Temperament und Vorerfahrung

Die Vorbereitung des Pferdes auf die Bodenarbeit ist ein entscheidender Schritt, der über Erfolg oder Misserfolg aller weiteren Trainingseinheiten bestimmt. Jedes Pferd bringt unterschiedliche Vorerfahrungen mit, und die Art, wie die ersten Signale eingeführt und etabliert werden, prägt die gesamte weitere Zusammenarbeit nachhaltig.

Vertrauen als Grundlage schaffen

Bevor mit strukturierter Bodenarbeit begonnen werden kann, muss eine solide Vertrauensbasis zum Pferd aufgebaut werden. Vertrauen entsteht nicht über Nacht, sondern durch viele kleine, positive Erfahrungen. Ruhige, entspannte Momente gemeinsam – beim Putzen, Füttern oder einfach beim stillen Beisammensein – sind der Beginn.

Das Pferd muss lernen, dass der Mensch berechenbar und fair ist. Das bedeutet, dass klare, konsistente Signale gegeben und angemessen auf die Reaktionen des Pferdes eingegangen wird. In dieser Phase sollte alles vermieden werden, was das Pferd erschrecken oder verunsichern könnte. Laute Geräusche, plötzliche Bewegungen oder inkonsequente Reaktionen können das Vertrauens schnell zerstören.

Besonders wichtig ist es, die individuelle Persönlichkeit des Pferdes zu verstehen. Ein ängstliches Pferd benötigt mehr Zeit und Geduld, ein dominantes Pferd klare Grenzen, ein neugieriges Pferd Abwechslung und ein träges Pferd Motivation. Zeit für Beobachtung des Pferdes und das Verstehen seiner Körpersprache wird sich später bei der Bodenarbeit enormen Nutzen bringen.

Das erste Signal: Stehen bleiben

Das wichtigste Signal, das das Pferd lernen muss, ist das Stehenbleiben auf Kommando. Dieses Signal ist die Grundlage für die weitere Bodenarbeit und essentiell für die Sicherheit. Das Stimmkommando „Halt“ oder „Steh“ sollte mit einer deutlichen Körperhaltung kombiniert werden – die eigene Bewegung stoppen und sich aufrichten.

Die Übung beginnt zunächst im Schritt: Beim gemeinsamen Gehen wird das Haltsignal gegeben. Bleibt das Pferd nicht sofort stehen, wird das Signal durch einen sanften Zug am Halfter oder leichten Druck auf die Brust verstärkt. Sobald das Pferd auch nur einen Schritt weniger macht oder zögert, sollte es sofort gelobt werden. Das Timing dieses Lobes ist entscheidend – es muss in dem Moment erfolgen, in dem das gewünschte Verhalten gezeigt wird.

Viele Pferde verstehen dieses Signal intuitiv, da es ihrer natürlichen Herdendynamik entspricht. In der Herde bedeutet das Stoppen der Leitpferde auch für alle anderen: „Halt, hier bleiben wir!“ Diese natürliche Veranlagung kann genutzt und darauf aufgebaut werden. Mit der Zeit kann das Haltsignal verfeinert und auch aus größerer Entfernung gegeben werden.

Vorwärts – die Bewegung initiieren

Das Vorwärtsgehen auf Signal ist das zweite fundamentale Element der Bodenarbeit. Hier geht es nicht nur darum, dass das Pferd sich bewegt, sondern dass es dies auf Signal hin tut und dabei aufmerksam bleibt. Ein klares Stimmkommando wie „Vorwärts“ oder „Schritt“ sollte durch Körpersprache unterstützt werden.

Selbst vorwärts zu gehen und dabei in die Richtung zu schauen, in die gegangen werden soll, ist natürliche Führung. Die meisten Pferde folgen dieser instinktiv. Falls das Pferd zögert, kann das Signal durch leichte Berührung mit der Gerte am Hinterbein oder sanften Druck mit der Hand verstärkt werden. Wichtig ist, dass das Signal sofort gestoppt wird, sobald das Pferd reagiert.

Zunächst sollte nur im Schritt gearbeitet werden, das Tempo wird erst gesteigert, wenn das Pferd die Grundsignale sicher beherrscht. Ein Pferd, das im Schritt aufmerksam und gehorsam mitgeht, wird auch in höheren Gangarten kooperativ sein. Ein Pferd, das bereits im Schritt zieht oder unaufmerksam ist, wird in schnelleren Gangarten meist nur noch schwerer zu kontrollieren sein.

Rückwärts – Respekt und Vertrauen aufbauen

Das Rückwärtsgehen ist eine der wertvollsten Übungen in der Bodenarbeit, da es sowohl Respekt als auch Vertrauen fördert. Für Pferde ist das Rückwärtsgehen meist unangenehm und erfordert großes Vertrauen in die führende Person. Gleichzeitig ist es ein deutliches Signal dafür, dass der Mensch die Führungsrolle innehat.

Mit sanftem Druck auf die Brust des Pferdes, kombiniert mit dem Stimmkommando „Zurück“ oder „Back“, sollte begonnen werden. Viele Pferde reagieren zunächst mit Widerstand oder Unverständnis – das ist völlig normal. Geduld und Konstanz im Signal sind wichtig, ohne den Druck zu verstärken. Sobald das Pferd auch nur einen Schritt zurückgeht oder sein Gewicht verlagert, sollte sofort nachgelassen und ausgiebig gelobt werden.

Zunächst sollte nur ein Schritt erwartet und langsam aufgebaut werden. Das Rückwärtsgehen soll für das Pferd nie bedrohlich oder beängstigend wirken. Ein korrekt ausgeführtes Rückwärtsgehen ist rhythmisch, gerade und ohne Eile. Das Pferd sollte dabei entspannt bleiben und Vertrauen in die Führung zeigen.

Die Bedeutung des richtigen Timings

Das Timing der Signale und besonders der Reaktionen ist der Schlüssel zum erfolgreichen Lernen. Pferde lernen durch die unmittelbare Verknüpfung von Verhalten und Konsequenz. Ein zu spätes Lob oder eine zu späte Korrektur verlieren ihre Wirkung, da das Pferd die Verbindung nicht mehr herstellen kann.

Die Regel lautet: Lob sollte innerhalb von drei Sekunden nach dem gewünschten Verhalten erfolgen, besser noch sofort. Das Lob kann aus Stimmkommandos, Streicheln oder einer kurzen Pause bestehen. Wichtig ist, dass es für das Pferd als angenehm empfunden wird. Manche Pferde bevorzugen ruhiges Kraulen, wieder andere sind für Leckerlis zu begeistern.

Ebenso wichtig ist das richtige Timing bei Korrekturen. Eine Korrektur soll das unerwünschte Verhalten unterbrechen, nicht bestrafen. Sie muss daher in dem Moment erfolgen, in dem das unerwünschte Verhalten gezeigt wird, nicht erst danach. Eine sanfte, aber bestimmte Korrektur zur richtigen Zeit ist viel wirkungsvoller als eine heftige Reaktion zu spät. Am besten ist die Korrektur eines unerwünschten Verhaltens über die Ausführung einer anderen Übung, so dass die Aufmerksamkeit gar nicht erst auf das unerwünschte Verhalten gelenkt wird, sondern sofort positiv in etwas anderes umgewandelt wird.

Aufmerksamkeit und Fokus entwickeln

Ein wesentlicher Aspekt der Bodenarbeit ist die Aufmerksamkeit des Pferdes. Es soll lernen, seine Konzentration auf den Menschen zu richten und nicht auf die Umgebung oder andere Ablenkungen. Einfache Übungen zur Aufmerksamkeitslenkung sind der Beginn: Richtungswechsel, Tempovariationen oder unangekündigtes Stehenbleiben.

Jede Situation, in der das Pferd von sich aus aufmerksam ist, sollte belohnt werden. Das kann ein Blick zum Menschen sein, das Stoppen beim Stehenbleiben oder das sofortige Reagieren auf ein Signal. Diese kleinen Aufmerksamkeitsmomente sind die Bausteine für eine erfolgreiche Kommunikation.

Falls das Pferd abgelenkt ist, sollte seine Aufmerksamkeit zurückgeholt werden, ohne es zu bestrafen. Ein leichtes Antippen mit der Gerte, ein Richtungswechsel oder ein kurzes Ansprechen können ausreichen. Die Aufmerksamkeit sollte nicht erzwungen, sondern verdient werden durch interessantes und engagiertes Arbeiten.

Grenzen setzen und Respekt fördern

Respekt in der Bodenarbeit bedeutet nicht Furcht, sondern Anerkennung der Führungsrolle. Das Pferd soll lernen, dass es den Raum des Menschen respektiert und auf dessen Signale reagiert, weil es vertraut und den Menschen als kompetente Führsperson anerkennt. Klare Grenzen sollten gesetzt werden, aber dabei fair und berechenbar geblieben werden.

Drängeln, Knabbern oder Schubsen sollte nicht geduldet werden, aber die Reaktion darauf sollte nicht mit Aggression erfolgen, sondern mit klaren Korrekturen. Ein bestimmtes „Nein“ kombiniert mit einer angemessenen körperlichen Reaktion – wie das Wegdrücken der Pferdenase oder ein Schritt in Richtung des Pferdes – reicht meist aus.

Besonders wichtig ist die Einhaltung des persönlichen Raums. Das Pferd soll lernen, dass es einen Bereich um den Menschen herum gibt, den es nur auf Einladung betreten darf. Dies ist nicht nur eine Frage des Respekts, sondern auch der Sicherheit. Das Wegschicken des Pferdes und das Heranrufen zu sich, sollte geübt werden.

Individuelle Herangehensweise je nach Pferdetyp

Jedes Pferd ist einzigartig und benötigt eine angepasste Herangehensweise. Sensible Pferde brauchen mehr Zeit und sanftere Signale, während selbstbewusste Pferde klarere Grenzen benötigen. Junge Pferde sind oft verspielt und leicht ablenkbar, ältere Pferde möglicherweise in ihren Gewohnheiten festgefahren.

Die Reaktionen des Pferdes sollten genau beobachtet und die Methoden entsprechend angepasst werden. Ein Pferd, das bei zu viel Druck blockiert, braucht mehr Zeit und eine sanftere Herangehensweise. Ein Pferd, das versucht, die Führung zu übernehmen, benötigt konsequentere Grenzen.

Auch die Vorerfahrungen des Pferdes sollten berücksichtigt werden. Ein Pferd mit schlechten Erfahrungen in der Bodenarbeit braucht möglicherweise mehr Zeit, um Vertrauen zu fassen. Ein völlig unerfahrenes Pferd hingegen bringt keine negativen Prägungen mit, kann aber auch unsicher sein, weil alles neu ist.

Pferd bei der Handarbeit, Detailaufnahme
Wie bei jedem Training mit Pferden muss auch bei der Bodenarbeit immer das individuelle Pferde betrachtet werden und das Training dementsprechend angepasst werden © Adobe Stock / aurency

Häufige Fehler vermeiden

Einer der häufigsten Fehler in der Anfangsphase ist Ungeduld. Wer zu schnell zu viel will, überfordert das Pferd und gefährdet den Lernprozess. Jedem Lernschritt sollte die Zeit gegeben werden, die er braucht, auch wenn das bedeutet, dass mehrere Einheiten für ein einziges Signal benötigt werden.

Ein weiterer Fehler ist inkonsequentes Verhalten. Wenn heute ein Verhalten ignoriert und morgen darauf reagiert wird, führt das zur Verwirrung beim Pferd. In den Signalen und Reaktionen sollte vorhersagbar und verlässlich geblieben werden.

Auch Emotionen wie Frustration oder Ärger sollten vermieden werden, auf das Pferd übertragen zu werden. Pferde reagieren sehr sensibel auf menschliche Stimmungen und werden in ihrer Lernbereitschaft beeinträchtigt, wenn sie Stress oder Negativität spüren.

Fazit – Geduld und Systematik führen zum Ziel

Die Vorbereitung des Pferdes auf die Bodenarbeit ist eine Investition, die sich langfristig auszahlt. Wie beim Reiten ist es auch in der Bodenarbeit ratsam sich viel Zeit zu nehmen und die Grundlagen solide zu legen, denn sie sind das Fundament für alle weiteren Übungen. Ein Pferd, das die ersten Signale sicher und vertrauensvoll ausführt, wird auch komplexere Aufgaben mit Freude meistern.

Lernen ist ein individueller Prozess – sowohl für den Menschen als auch für das Pferd. Kleine Fortschritte sollten gefeiert werden und jeder Tag als neue Chance gesehen werden, die Kommunikation zu verbessern. Mit Geduld, Konsequenz und der richtigen Herangehensweise wird eine harmonische Arbeitsbeziehung aufgebaut, die beiden Partnern Freude bereitet.

Elke Malenke
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