Vitamin A spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit von Pferden und Menschen – das war schon in der Antike bekannt. Ägyptische medizinische Texte aus der Zeit um 1550 v. Chr. empfahlen den Verzehr von Leber (dem wichtigsten Speicherorgan für Vitamin A) zur Behandlung von Nachtblindheit. Heute weiß man, dass Vitamin A – chemisch als Retinol bezeichnet – für die Gesunderhaltung der Netzhaut des Auges und für eine Vielzahl von Stoffwechsel- und Entwicklungsprozessen unerlässlich ist.
Herkunft und Aufnahme
Pferde erhalten Vitamin A in erster Linie nicht in seiner aktiven Form, sondern als Provitamin A – hauptsächlich β-Carotin, ein rötliches Pflanzenpigment, das in grünem Futter wie Weidegras, Luzerne, Kräutern und Blättern sowie in leuchtend farbigen Früchten und Wurzeln wie Karotten oder Hagebutten enthalten ist. Im Dünndarm wird β-Carotin enzymatisch in Retinal gespalten, das dann in Retinol umgewandelt wird. Dieses Retinol wird in der Leber in Form von Retinylestern gespeichert und kann bei Bedarf mobilisiert werden.
Transport im Blut
Bevor es in den Blutkreislauf gelangt, bindet sich Retinol an ein Transportprotein (RBP) und bildet einen Komplex mit Transthyretin (TTR), so dass es nicht von den Nieren herausgefiltert werden kann. Das streng regulierte System sorgt dafür, dass der Retinolspiegel im Blutplasma stabil bleibt, was bedeutet, dass ein einfacher Bluttest den Vitamin-A-Status eines Pferdes nicht zuverlässig bestimmen kann.
Chemische Formen und Funktionen
Im Körper tritt Vitamin A in verschiedenen chemischen Formen auf: Es wird als Retinylester in der Leber gespeichert, als Retinol im Plasma transportiert und in den Zielgeweben in Retinal und Retinsäure umgewandelt. Das Isomer 11-cis-Retinal ist für das Sehen entscheidend, da es als lichtempfindliches Chromophor in den Photorezeptorzellen der Netzhaut fungiert. Trifft Licht darauf, isomerisiert es zu all-trans-Retinal und löst eine Kaskade aus, die über den Sehnerv einen Impuls an das Gehirn sendet. Dieser Prozess erklärt, warum sich ein Vitamin-A-Mangel zunächst als schlechtes Nachtsehen bemerkbar macht.
Gesundheitliche Bedeutung
Vitamin A ist auch für die Gesundheit der Epithelien, die Fortpflanzung, die Immunfunktion und den Knochenstoffwechsel unerlässlich. Es reguliert die Expression von über 500 Genen, insbesondere derjenigen, die an der Zelldifferenzierung beteiligt sind. Bei erwachsenen Pferden kann ein Mangel zu trockener Haut, brüchigen Hufen, beeinträchtigter Schleimhautbarriere, schlechter Fruchtbarkeit und erhöhter Anfälligkeit für Infektionen führen. Bei Zuchtstuten kann ein Mangel zu Funktionsstörungen der Plazenta, niedrigem Geburtsgewicht, Missbildungen der Gliedmaßen und Entwicklungsverzögerungen bei Fohlen führen.
Risiken einer Überversorgung
Andererseits kann eine übermäßige Vitamin-A-Aufnahme, insbesondere bei Pferden im Wachstum, zu Knochenfehlbildungen, Weichteilbrüchigkeit und sogar zu Verhaltensänderungen führen. Toxische Auswirkungen sind wahrscheinlich, wenn Pferde mehr als das Fünffache der empfohlenen Tagesdosis zu sich nehmen, was häufig auf eine Überversorgung mit angereichertem Futter oder vitaminreichem Kraftfutter zurückzuführen ist.
Bioverfügbarkeit und Gehalte in Futtermitteln
Die Bioverfügbarkeit von Vitamin A hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von den Vitaminspeichern in der Leber, dem Alter und dem physiologischen Zustand des Pferdes. Normalerweise wird nur etwa 1/40 des aufgenommenen β-Carotins in Vitamin A umgewandelt, ein Mechanismus, der unter natürlichen Fütterungsbedingungen eine Hypervitaminose A verhindert. Frisches Weideland enthält etwa 50-75 mg β-Carotin pro kg Trockenmasse, was 20.000-30.000 IE Vitamin A pro kg aufgenommener Trockenmasse entspricht. Im Gegensatz dazu enthält Heu deutlich weniger – etwa 10.000-16.000 IE/kg, wenn es frisch geerntet und sonnengetrocknet ist. Nach 6 Monaten Lagerung ist der Vitamin-A-Gehalt im Heu nahezu aufgebraucht, es sei denn, es bleibt sichtbar grün.
Speicherkapazität und Mangelerscheinungen
Dank seiner Speicherkapazität in der Leber kann ein Pferd kurzfristige Phasen ohne Vitamin-A-Zufuhr verkraften. Bei Pferden, die über einen längeren Zeitraum nur mit Heu gefüttert werden, ohne Zugang zu frischem Futter oder zusätzlicher Zufuhr von β-Carotin, können die Leberspeicher jedoch innerhalb von 1-2 Monaten aufgebraucht sein. In solchen Fällen können kleine Mengen von Karotten oder Hagebutten helfen, die Lücke zu überbrücken – zwei bis drei Karotten täglich reichen im Winter normalerweise aus.

Moderne Fütterungspraxis
Im Allgemeinen ist ein Vitamin-A-Mangel in der modernen Pferdehaltung selten, vorausgesetzt, die Pferde erhalten qualitativ hochwertiges Heu, saisonales Weideland und gelegentlich carotinreiche Futtermittel wie Karotten oder eine Handvoll Hagebutten. Eine Überversorgung, insbesondere bei jungen Pferden, ist ein häufigeres Problem, das auf stark angereicherte Kraftfutter oder vitaminisierte Mineralstoffmischungen zurückzuführen ist. Die Wirkung von synthetischen β-Carotin- und Vitamin-A-Präparaten wird noch untersucht; ihre Stabilität und Absorption variiert je nach Verarbeitung, Lagerung und spezifischer Formulierung.
Bedarfswerte verschiedener Pferdegruppen
Eine häufige Sorge von Pferdebesitzern ist, ob die Ration genügend Vitamin A für Zuchtstuten oder heranwachsende Jungpferde enthält. Der Erhaltungsbedarf an Vitamin A bei erwachsenen Pferden (sowohl Freizeit- als auch Sportpferde) liegt bei etwa 1.600 IE pro Tag. Bei Zuchtstuten in den letzten 90 Tagen der Trächtigkeit sowie bei Zuchthengsten erhöht sich dieser Wert auf etwa 3.500 IE pro Tag. Laktierende Stuten haben noch einen deutlich erhöhten Bedarf und benötigen etwa 3.000 IE pro Tag, ebenso wie Fohlen. Mit dem Alter nimmt der Bedarf allmählich ab: Ein Jährling benötigt noch etwa 2.500 IE pro Tag, bis er im Alter von 3 Jahren den Standard-Erhaltungsbedarf von 1.600 IE pro Tag erreicht.
Beispielrechnung zur Versorgung
Schauen wir uns ein typisches Mineralfuttermittel wie OKAPI Juniormineral näher an, das 100.000 IE Vitamin A pro Kilogramm enthält. Wenn die empfohlene Tagesmenge 100 Gramm beträgt, ergibt sich daraus eine Versorgung:
100.000 IE ÷ 10 = 10.000 IE Vitamin A pro Tag.
Vergleichen wir dies nun mit dem tatsächlichen Tagesbedarf:
- Ein erwachsenes Pferd benötigt etwa 1.600 IE/Tag.
- Eine trächtige Stute (letztes Trimester) oder ein Hengst benötigt etwa 3.500 IE/Tag
- Eine säugende Stute und ein Fohlen benötigen beide etwa 3.000 IE/Tag
- Ein Jährling benötigt etwa 2.500 IE/Tag Mit nur 100 g dieses Mineralfutters erhalten also selbst eine laktierende Stute oder ein wachsendes Fohlen mehr als das Dreifache ihres Tagesbedarfs, und erwachsene Pferde oder Jährlinge sind sogar noch besser versorgt.
Fazit zur Versorgung
Mit anderen Worten: Ja – ein richtig dosiertes Mineralfutter wie dieses ist mehr als ausreichend, um den Vitamin-A-Bedarf eines jeden gesunden Pferdes, auch von Zuchtstuten und Jungpferden, zu decken, auch wenn synthetisches Vitamin A im Darm nicht zu 100 % resorbiert wird.
Es ist auch wichtig, daran zu denken, dass Futter wie Heu oder Luzerne immer noch zur Vitamin-A-Aufnahme des Pferdes beiträgt, auch wenn die genaue Menge schwer zu messen ist – vor allem, wenn die Futterchargen häufig wechseln. Während der Vitamin-A-Gehalt im Heu mit der Zeit abnimmt, enthält sonnengereiftes Heu oder Futter, das unter guten Bedingungen gelagert wurde, immer noch brauchbare Mengen, insbesondere wenn es eine grünliche Farbe behält.
Daher sind die meisten Pferde in ausgewogenen Fütterungsprogrammen bereits gut mit Vitamin A versorgt – und das größere Risiko in der modernen Fütterungspraxis ist oft eine Überversorgung, nicht ein Mangel.