Das Wichtigste in Kürze:
- Die Verdauung verändert sich im Alter – aber nicht jeder Senior braucht Spezialfutter
- Grundlage der Ernährung bleibt qualitativ hochwertiges Raufutter
- Der Verdauungstrakt arbeitet langsamer und weniger effizient
- Individuelle Anpassung ist wichtiger als Patentrezepte
- Kleine, häufige Mahlzeiten sind besser als wenige große
- Die Wasserversorgung spielt eine zentrale Rolle
- Beobachtung und regelmäßige Anpassung des Futterplans sind essenziell
„Bekommt dein Pferd auch schon Seniorenmüsli?“ Diese Frage hörst du spätestens dann, wenn dein Pferd die 20 überschritten hat. Die Futtermittelindustrie suggeriert uns, dass alternde Pferde automatisch spezielle Futtermittel brauchen. Doch stimmt das wirklich? Die Antwort ist wie so oft: Es kommt darauf an.
Altern beginnt im Darm
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Verdauung des Pferdes. Der Darm arbeitet langsamer, Nährstoffe werden nicht mehr so effizient aufgenommen wie in jungen Jahren. Das Mikrobiom – also die Gesamtheit aller Darmbakterien – verliert an Vielfalt. Das klingt erstmal dramatisch, bedeutet aber nicht automatisch Probleme. Denn das ist alles Teil des natürlichen Alterungsprozesses.
Viele Pferde kompensieren diese Veränderungen problemlos, solange sie ausreichend Zeit zum Fressen haben und das Grundfutter von guter Qualität ist. Andere brauchen dagegen schon früh Unterstützung. Der Unterschied liegt oft in den Zähnen.
Die Zahnfrage – Schlüssel zur richtigen Ernährung
Ein Pferd mit gutem Gebiss und gesundem Kiefergelenk kann auch mit 25 noch problemlos sein Heu zerkleinern. Gibt es jedoch Zahnprobleme, wird die mechanische Zerkleinerung der Fasern schwieriger. Die Folge: Das Pferd schluckt größere Stücke ab, die im Darm nicht mehr optimal verdaut werden können. Hier beginnt oft ein Teufelskreis aus mangelnder Verdauung und Gewichtsverlust. Dieser kann aber nicht durch mehr Futteraufnahme ausgeglichen werden, denn je hastiger die Pferde zu fressen versuchen, umso schlechter verdaulich ist das, was sie dann wenig zerkaut abschlucken.
Der Basis-Speiseplan für Senioren
Entgegen der weitverbreiteten Meinung brauchen alte Pferde nicht automatisch Kraftfutter. Die Basis der Ernährung bleibt auch im Alter qualitativ hochwertiges Raufutter. Der Unterschied liegt in der Darreichungsform und der Fütterungsfrequenz.
Ein guter Seniorenspeiseplan orientiert sich an der Natur: Pferde sind evolutionär darauf ausgelegt, den ganzen Tag kleine Mengen Raufutter zu fressen. Im Alter wird dieses Prinzip noch wichtiger. Der Verdauungstrakt kommt mit vielen kleinen Mahlzeiten besser zurecht als mit wenigen großen. Und glücklicherweise bietet die Futtermittelindustrie unseren Senioren „vorgekautes Heu“ in Form von Heucobs, die nicht nur Raufutter in den Darm bringen, sondern auch Flüssigkeit.
Wasser – das unterschätzte Lebenselixier
Mit dem Alter nimmt das natürliche Durstempfinden oft ab. Gleichzeitig wird eine gute Wasserversorgung wichtiger denn je für die Verdauung. Alte Pferde trinken häufig lieber aus Eimern als aus automatischen Tränken. Das Wasser sollte im Winter leicht angewärmt sein – nicht nur wegen der Kälte, sondern weil lauwarmes Wasser die Darmtätigkeit unterstützt, weil der Körper weniger Energie aufwenden muss, um es anzuwärmen. Denn immer dran denken: Alte Pferde haben keine Energie mehr zum Verplempern übrig, sondern müssen sparsam haushalten. Eingeweichte Heucobs, lauwarm angeboten, sind hier die ideale Lösung für ältere Pferde.
Vom Heu zur Heucobs-Mahlzeit
Wenn das Kauen schwerer fällt, sind eingeweichte Heucobs die beste Alternative zu Heu. Sie liefern dieselben Nährstoffe, sind aber leichter zu verdauen. Ein häufiger Fehler ist jedoch, zu wenig davon zu füttern. Ein 500-Kilo-Pferd braucht mindestens 10 Kilo Heu täglich – oder die entsprechende Menge Heucobs. Denn auch wenn sie im Sack gekauft werden, sind Heucobs kein hoch konzentriertes, nährstoffreiches Kraftfutter, von dem wir gelernt haben, es nur sparsam zu füttern. Stattdessen ersetzt 1kg Heucobs tatsächlich 1kg lose gefüttertes Heu. Dabei sind Heucobs leichter, als man auf den ersten Blick glaubt.
Praxis-Tipp: Den Inhalt der Schaufel, mit der die Heucobs abgemessen werden, einmal mit der digitalen Küchenwaage abwiegen. In den meisten Fällen ist eine Schaufel nicht gleich ein Kilogramm, sondern deutlich weniger.
Der Mythos vom Seniorenmüsli
Fertige Seniorenmüslis enthalten in der Regel vor allem Getreideflocken und diverse Abfälle aus der Lebensmittelindustrie, die ein gesunder Senior gar nicht braucht. Im Gegenteil haben viele ältere Pferde mit altersbedingter Insulinresistenz zu kämpfen und sollten daher zuckerarm und stärkefrei ernährt werden. Besser ist es, gezielt zu ergänzen, was wirklich fehlt, beispielsweise über eine Seniormineral oder über Kräutermischungen, die zu den gesundheitlichen Themen des Pferdes passen.
Kräuter und Co. – natürliche Helfer
Die Natur bietet viele Möglichkeiten, die Verdauung alternder Pferde zu unterstützen. Klassiker wie Fenchel, Kümmel und Anis fördern die Darmtätigkeit. Löwenzahn und Artischocke unterstützen die Leber. Solche Kräuter kannst du entweder selbst sammeln oder als fertige Mischungen kaufen. Achte hierbei darauf, dass die Kräuter einen hohen Wirkstoffgehalt haben, also nach Möglichkeit in Deutscher Arzneibuch Qualität (DAB) angeboten werden. Günstige Kräutermischungen sollten immer dein Misstrauen wecken, denn hochwertige, wirkstoffreiche Kräuter haben durchaus ihren Preis. Dafür helfen sie dann aber auch deinem Pferd.
Den individuellen Weg finden
Die Kunst der Seniorenfütterung liegt darin, den individuellen Bedarf deines Pferdes zu erkennen. Ein paar Orientierungspunkte:
Dein Pferd braucht möglicherweise Unterstützung, wenn:
- es deutlich länger zum Fressen braucht als früher
- Heuwickel gelegentlich aus dem Maul fallen
- das Gewicht trotz ausreichender Futteraufnahme sinkt
- der Kot grobfaseriger wird
- vermehrt Kotwasser auftritt
Anpassungen mit Augenmaß
Veränderungen in der Fütterung sollten immer langsam erfolgen. Der alte Verdauungstrakt reagiert oft empfindlich auf plötzliche Umstellungen. Beobachte dein Pferd genau und dokumentiere Veränderungen. Was funktioniert? Was nicht? Bleibe flexibel in deinen Anpassungen. Ein kompetenter Ernährungsberater kann dir dabei helfen, die Fütterung für deinen Senior individuell passend einzustellen und immer wieder nachzujustieren, sodass dein Liebling optimal versorgt ist.
Qualität statt Quantität
Die beste Seniorenfütterung ist die, die zu deinem Pferd passt. Sie muss nicht kompliziert sein, aber durchdacht. Konzentriere dich auf hochwertige Grundfuttermittel wie Heu und zuckerarme Heucobs, statt auf teure Spezialprodukte wie Seniorenmüslis. Beobachte genau, experimentiere vorsichtig und scheue dich nicht, Expertenhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du unsicher bist.
Gute Ernährung im Alter ist keine Raketenwissenschaft – sie braucht vor allem eines: Zeit, Geduld und aufmerksame Beobachtung. Dein Pferd wird es dir mit stabilem Gewicht und guter Verdauung danken.
Mehr Informationen zum Thema alte Pferde gibt es auf unserer Themenseite: Alte Pferde